Elly Schönfeld (1898-1942?)

Elly Friederike Schönfeld erblickt am 16. Juni 1898 in Berlin das Licht der Welt.1 Ihr Vater Edgar arbeitet als Kaufmann, Kürschner (Bearbeiter von Fellen und Pelzen) und als Journalist. Ihre Mutter Gertrud geb. Bernhard stirbt kurz vor Ellys drittem Geburtstag in der elterlichen Wohnung im Alter von nur 23 Jahren.2 Die nächsten Jahre bleibt die Familie zu dritt: Elly, ihr Vater, und ihr ein Jahr jüngerer Bruder Guido.3

Über die folgenden 30 Jahre ist aus Ellys Leben nichts bekannt. 1930 heiratet ihr Vater noch einmal, stirbt dann aber zwei Jahre später im Alter von 65 Jahren.4 Ihr Bruder Guido ist mittlerweile Korrespondent in der juristischen Verwaltung einer Aktiengesellschaft in Berlin. 1933 wird er nach dem Erlass der ersten Gesetze zur Diskriminierung von Jüdinnen und Juden sofort entlassen. Mit seiner Frau Emma geb. Sonnemann, die evangelischer Konfession ist, flieht er 1935 nach Palästina.5

Auch Elly scheint kein einfaches berufliches Auskommen in Berlin zu haben. Auf irgend eine Weise erhält sie 1938 Nachricht aus Spremberg, dass die schwerkranke Henriette Fellinger dort eine Pflegerin braucht. Elly nimmt die Stelle an und zieht nach Spremberg.6 Bis zum Frühjahr 1939 wohnt sie erst in der Villa der Familie Heimann-Levy,7 die alle schon ins Ausland geflohen sind. Als die Villa verkauft wird, damit sie sich nicht mehr in jüdischer Hand befindet, zieht Elly dort aus. Sie ist die letzte Jüdin, die jemals dort lebte. Sie bekommt eine Bleibe in der Joseph-Haydn-Str. 4. Auch Elly plant, das Land zu verlassen und bemüht sich, nach England ausreisen zu können.

Im April 1940 stirbt ihre Arbeitgeberin Henriette Fellinger. Elly macht die Todesanzeige beim Standesamt in Spremberg8 und richtet eine Trauerfeier in der Georgenkapelle auf dem Georgenberg aus.9 Seit einem halben Jahr ist Krieg. Ellys Lage ist prekär. Nathan Bernfeld, Familie Thiel und Elly sind vermutlich die letzten sechs Juden, die zu dieser Zeit noch in Spremberg leben. Ab September 1941 müssen sie den „Judenstern“ sichtbar an ihrer Kleidung tragen.

Am 2. April 1942 wird Elly von der Gestapo zuhause abgeholt und nach Frankfurt/Oder in ein Sammellager gebracht. Es ist der erste Abtransport der verbliebenen jüdischen Bevölkerung aus dem Regierungsbezirk Frankfurt/Oder, zu dem auch Spremberg gehört. Neben Elly sind u.a. auch 19 Personen aus Forst und 36 Personen aus Cottbus dort. Am nächsten Tag werden sie alle - insgesamt 366 Menschen - zum Bahnhof gebracht, wo ein Zug aus Berlin steht, in dem bereits 643 Menschen von dort zusammengepfercht sind. Mit diesem Zug wird Elly um Mitternacht nach Polen ins Warschauer Ghetto deportiert. Am 5. April kommt sie morgens 8 Uhr dort an.10

Seither fehlt jede Spur von ihr. Sie ist 43 Jahre alt, als sie verschwindet, und auf diese Weise im NS-Regime ermordet wird.

Drei Jahre nach Kriegsende stellt Ellys Bruder Guido einen Visumsantrag, um nach Deutschland zurückkehren zu können. Dabei macht er auch Angaben über lebende Verwandte in Deutschland. Seine Schwester Elly ist nicht dabei.11

Guido heiratet 1968 nach dem Tod seiner Ehefrau ein zweites Mal in Berlin und stirbt zehn Jahre später in Italien in Lacco Ameno.12

  1. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Geburtsregister, 1874-1908 für Elly Friederike Schönfeld.
  2. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1936 für Edgar Schönfeld und Gertrud Bernhard; vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Sterberegister, 1874-1986 für Gertrud Schönfeld.
  3. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Geburtsregister, 1874-1908 für Guido Schönfeld.
  4. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1936 für Edgar Schoenfeld und Friederike Krückeberg; vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Sterberegister, 1874-1986 für Edgar Schoenfeld.
  5. Vgl. Arolsen Archiv: CM/1 Formulare und Begleitdokumente von DP´s in der Schweiz, sowie Schriftwechsel von IRO-Dienststellen in Deutschland, Österreich und dem Nahen Osten mit dem IRO-Hauptquartier in Genf, Signatur 1718000, Guido Schoenfeld.
  6. Vgl. BLHA, 16 Hammerschmidt 95; Fellinger – Henriette, Nachlasspflegschaft Fellinger; 1936-1944 (Akte).
  7. Vgl. https://www.mappingthelives.org/bio/c0efabe3-5020-449f-9cdf-71d18083f32c (Stand 13.08.2024).
  8. Vgl. Stadtarchiv Spremberg, Sterbebucheintrag für Fellinger, Sara Henriette, Nr. 113/1940.
  9. Vgl. BLHA, 16 Hammerschmidt 95; Fellinger – Henriette, Nachlasspflegschaft Fellinger; 1936-1944 (Akte).
  10. Vgl. https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_ber_ot12.html (Stand 13.08.2024).
  11. Vgl. Arolsen Archiv: CM/1 Formulare und Begleitdokumente von DP´s in der Schweiz, sowie Schriftwechsel von IRO-Dienststellen in Deutschland, Österreich und dem Nahen Osten mit dem IRO-Hauptquartier in Genf, Signatur 1718000, Guido Schoenfeld.
  12. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Geburtsregister, 1874-1908 für Guido Schönfeld; vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Sterberegister, 1874-1986 für Emma Schönfeld.
Elly SchönfeldElly Schönfeld

kurz-Biografie

16.06.1898Geburt – in Berlin, Alexandrinenstraße 45
Ende 1938Zuzug – nach Spremberg, Arbeit als Pflegerin für die Jüdin Henriette Fellinger
01.05.1939Bestrebungen zur Flucht nach England
19.09.1941Verpflichtung zum Tragen des "Judensterns"
02.04.1942Verhaftung in Spremberg durch die Gestapo, Sammellager in Frankfurt/Oder
03.04.1942Deportation ins Warschauer Ghetto, seither spurlos verschwunden

Verbundene Personen

Fellinger, HenrietteArbeitgeberin
Levy, ClaraVermieterin
Bernfeld, Nathanverbundenes Schicksal

Verbundene Orte

WiesengasseWohnort
Joseph-Haydn-Straßeletzter Wohnort, zukünftiger STOLPERSTEIN
Elly SchönfeldElly Schönfeld

kurz-Biografie

16.06.1898Geburt – in Berlin, Alexandrinenstraße 45
Ende 1938Zuzug – nach Spremberg, Arbeit als Pflegerin für die Jüdin Henriette Fellinger
01.05.1939Bestrebungen zur Flucht nach England
19.09.1941Verpflichtung zum Tragen des "Judensterns"
02.04.1942Verhaftung in Spremberg durch die Gestapo, Sammellager in Frankfurt/Oder
03.04.1942Deportation ins Warschauer Ghetto, seither spurlos verschwunden

Elly Friederike Schönfeld erblickt am 16. Juni 1898 in Berlin das Licht der Welt.1 Ihr Vater Edgar arbeitet als Kaufmann, Kürschner (Bearbeiter von Fellen und Pelzen) und als Journalist. Ihre Mutter Gertrud geb. Bernhard stirbt kurz vor Ellys drittem Geburtstag in der elterlichen Wohnung im Alter von nur 23 Jahren.2 Die nächsten Jahre bleibt die Familie zu dritt: Elly, ihr Vater, und ihr ein Jahr jüngerer Bruder Guido.3

Über die folgenden 30 Jahre ist aus Ellys Leben nichts bekannt. 1930 heiratet ihr Vater noch einmal, stirbt dann aber zwei Jahre später im Alter von 65 Jahren.4 Ihr Bruder Guido ist mittlerweile Korrespondent in der juristischen Verwaltung einer Aktiengesellschaft in Berlin. 1933 wird er nach dem Erlass der ersten Gesetze zur Diskriminierung von Jüdinnen und Juden sofort entlassen. Mit seiner Frau Emma geb. Sonnemann, die evangelischer Konfession ist, flieht er 1935 nach Palästina.5

Auch Elly scheint kein einfaches berufliches Auskommen in Berlin zu haben. Auf irgend eine Weise erhält sie 1938 Nachricht aus Spremberg, dass die schwerkranke Henriette Fellinger dort eine Pflegerin braucht. Elly nimmt die Stelle an und zieht nach Spremberg.6 Bis zum Frühjahr 1939 wohnt sie erst in der Villa der Familie Heimann-Levy,7 die alle schon ins Ausland geflohen sind. Als die Villa verkauft wird, damit sie sich nicht mehr in jüdischer Hand befindet, zieht Elly dort aus. Sie ist die letzte Jüdin, die jemals dort lebte. Sie bekommt eine Bleibe in der Joseph-Haydn-Str. 4. Auch Elly plant, das Land zu verlassen und bemüht sich, nach England ausreisen zu können.

Im April 1940 stirbt ihre Arbeitgeberin Henriette Fellinger. Elly macht die Todesanzeige beim Standesamt in Spremberg8 und richtet eine Trauerfeier in der Georgenkapelle auf dem Georgenberg aus.9 Seit einem halben Jahr ist Krieg. Ellys Lage ist prekär. Nathan Bernfeld, Familie Thiel und Elly sind vermutlich die letzten sechs Juden, die zu dieser Zeit noch in Spremberg leben. Ab September 1941 müssen sie den „Judenstern“ sichtbar an ihrer Kleidung tragen.

Am 2. April 1942 wird Elly von der Gestapo zuhause abgeholt und nach Frankfurt/Oder in ein Sammellager gebracht. Es ist der erste Abtransport der verbliebenen jüdischen Bevölkerung aus dem Regierungsbezirk Frankfurt/Oder, zu dem auch Spremberg gehört. Neben Elly sind u.a. auch 19 Personen aus Forst und 36 Personen aus Cottbus dort. Am nächsten Tag werden sie alle - insgesamt 366 Menschen - zum Bahnhof gebracht, wo ein Zug aus Berlin steht, in dem bereits 643 Menschen von dort zusammengepfercht sind. Mit diesem Zug wird Elly um Mitternacht nach Polen ins Warschauer Ghetto deportiert. Am 5. April kommt sie morgens 8 Uhr dort an.10

Seither fehlt jede Spur von ihr. Sie ist 43 Jahre alt, als sie verschwindet, und auf diese Weise im NS-Regime ermordet wird.

Drei Jahre nach Kriegsende stellt Ellys Bruder Guido einen Visumsantrag, um nach Deutschland zurückkehren zu können. Dabei macht er auch Angaben über lebende Verwandte in Deutschland. Seine Schwester Elly ist nicht dabei.11

Guido heiratet 1968 nach dem Tod seiner Ehefrau ein zweites Mal in Berlin und stirbt zehn Jahre später in Italien in Lacco Ameno.12

  1. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Geburtsregister, 1874-1908 für Elly Friederike Schönfeld.
  2. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1936 für Edgar Schönfeld und Gertrud Bernhard; vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Sterberegister, 1874-1986 für Gertrud Schönfeld.
  3. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Geburtsregister, 1874-1908 für Guido Schönfeld.
  4. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1936 für Edgar Schoenfeld und Friederike Krückeberg; vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Sterberegister, 1874-1986 für Edgar Schoenfeld.
  5. Vgl. Arolsen Archiv: CM/1 Formulare und Begleitdokumente von DP´s in der Schweiz, sowie Schriftwechsel von IRO-Dienststellen in Deutschland, Österreich und dem Nahen Osten mit dem IRO-Hauptquartier in Genf, Signatur 1718000, Guido Schoenfeld.
  6. Vgl. BLHA, 16 Hammerschmidt 95; Fellinger – Henriette, Nachlasspflegschaft Fellinger; 1936-1944 (Akte).
  7. Vgl. https://www.mappingthelives.org/bio/c0efabe3-5020-449f-9cdf-71d18083f32c (Stand 13.08.2024).
  8. Vgl. Stadtarchiv Spremberg, Sterbebucheintrag für Fellinger, Sara Henriette, Nr. 113/1940.
  9. Vgl. BLHA, 16 Hammerschmidt 95; Fellinger – Henriette, Nachlasspflegschaft Fellinger; 1936-1944 (Akte).
  10. Vgl. https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_ber_ot12.html (Stand 13.08.2024).
  11. Vgl. Arolsen Archiv: CM/1 Formulare und Begleitdokumente von DP´s in der Schweiz, sowie Schriftwechsel von IRO-Dienststellen in Deutschland, Österreich und dem Nahen Osten mit dem IRO-Hauptquartier in Genf, Signatur 1718000, Guido Schoenfeld.
  12. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Geburtsregister, 1874-1908 für Guido Schönfeld; vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Sterberegister, 1874-1986 für Emma Schönfeld.

Verbundene Personen

Fellinger, HenrietteArbeitgeberin
Levy, ClaraVermieterin
Bernfeld, Nathanverbundenes Schicksal

Verbundene Orte

WiesengasseWohnort
Joseph-Haydn-Straßeletzter Wohnort, zukünftiger STOLPERSTEIN

Quellenangaben

Stadtarchiv Spremberg:

  • Sterbebucheintrag für Fellinger, Sara Henriette, Nr. 113/1940.

Brandenburgisches Landeshauptarchiv:

  • 16 Hammerschmidt 95; Fellinger – Henriette, Nachlasspflegschaft Fellinger; 1936-1944 (Akte).

Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de:

  • Berlin, Deutschland, Geburtsregister, 1874-1908 für Elly Friederike Schönfeld.
  • Berlin, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1936 für Edgar Schönfeld und Gertrud Bernhard.
  • Berlin, Deutschland, Sterberegister, 1874-1986 für Gertrud Schönfeld.
  • Berlin, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1936 für Edgar Schoenfeld und Friederike Krückeberg.
  • Berlin, Deutschland, Sterberegister, 1874-1986 für Edgar Schoenfeld.
  • Berlin, Deutschland, Geburtsregister, 1874-1908 für Guido Schönfeld.
  • Berlin, Deutschland, Sterberegister, 1874-1986 für Emma Schönfeld.

Arolsen Archiv:

  • CM/1 Formulare und Begleitdokumente von DP´s in der Schweiz, sowie Schriftwechsel von IRO-Dienststellen in Deutschland, Österreich und dem Nahen Osten mit dem IRO-Hauptquartier in Genf, Signatur 1718000, Guido Schoenfeld.

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