Familie Schnabl

Die Eheleute Emil Schnabl und Ida geb. Wilhelm ziehen spätestens 1910 mit ihren vier Kindern nach Spremberg. Hier gründet der Vater die Firma „Tuchfabrik Emil Schnabl“in der Berliner Straße 6.1

Ihren Sohn Hans (*1903) schicken sie in Spremberg an die Grundschule, dann ans Realgymnasium und anschließend nach Cottbus an die Webschule. Ihre Tochter Ruth (*1905) wird in Cottbus eingeschult, besucht dort die weiterführende Schule und macht eine Ausbildung zur Textiltechnikerin. Über die Schulzeit der zwei älteren Kinder Max (*1901) und Gertrud (*1902)2 ist noch nichts bekannt.

Erst wohnt die Familie gemeinsam mit Siegfried Schnabl (Verwandtschaftsverhältnis ungeklärt) in der Leipziger Straße 10. 1916 lassen sie sich auf dem Schomberg für 120.000 Reichsmark die „Schnabl'sche Villa“ bauen.3 Dann sterben Emil und Ida aber beide in den 1920er Jahren.4 Den Kindern gelingt es nicht, die Firma durch die Weltwirtschaftskrise zu retten. 1925 stellen sie noch Nathan Bernfeld als Direktor der Schnabl‘schen Tuchfabrik ein. Familie Schnabl kennt Nathan Bernfeld womöglich noch aus Sagan, wo Emil und Nathan beide in Leitungsfunktionen bei der Tuchfabrik Löw-Beer tätig waren.5 1929 geht die Firma pleite und wird verkauft. Die Tuchfabrik läuft fortan unter dem Namen Fischer & Schnabl.

1938 will der Rechtsanwalt Curt Heyde die Villa auf dem Schomberg sowie zwei Acker, die noch im Besitz der Familie sind, für die Hälfte des Marktwertes kaufen. Der Landrat befürwortet diesen billigen Preis nicht und versucht mit zwei Gegenanträgen andere Forderungen an den Käufer durchzusetzen. Er findet nicht, dass die „Arisierung“ des Grundstücks den Preis rechtfertige. Schließlich wird der Kauf zum angegebenen Preis aber mit der Auflage genehmigt, dass drei Wohnungen in der Villa entstehen, die bei der Wohnungsnot in Spremberg helfen sollen. 1941 und 1942 wird der Kaufvertrag noch einmal nachgeprüft - erfolglos. Dazu schreibt der Bürgermeister von Spremberg:

„Der Kaufpreis […] ist […] als Schleuderpreis zu bezeichnen. […] Das Wohnhaus hat einen erstklassigen vornehm ausgestatteten Innenausbau, der dem jetzigen Besitzer voll und ganz zu Gute kommt. Das Grundstück hat eine ausgezeichnete Lage auf dem höchsten Punkt eines Hügels, dem Schomberg, von wo man einen schönen Ausblick auf die ganze Stadt Spremberg und Umgebung hat. Der Hof nebst Einfahrt sind mit Kleinpflaster gepflastert; der Garten ist mit zahlreichen Obstbäumen bepflanzt.“6

Ziel seiner Anmerkungen ist aber keinesfalls die Entschädigung der Schnabl'schen Erben. Vielmehr sollte das Deutsche Reich 10.000 Reichsmark erhalten, die beim sogenannten „Entjudungsgeschäft“ beim Verkauf der Villa dem Reich verloren gegangen seien.7

Weiteres Schicksal der Kinder:

Max Schnabl wird Kaufmann und stirbt jung am 21. Dezember 1935 im Alter von 34 Jahren.8

Getrud, genannt „Gerti“, heiratet 1929 Dr. Richard Bader, einen Rechtsanwalt aus Wien. Sie verstirbt ca. 1938.9

Hans heiratet 1929 in Wien die Damenschneiderin Margarethe Bonzelj, eine Katholikin, und zwei Jahre später kommt dort ihr Sohn Emil zur Welt, den Hans nach seinem Vater benennt. 1934 muss Hans aus der Stadt fliehen und seine Frau und sein dreijähriges Kind zurücklassen. Bis kurz nach der Besetzung des Landes durch die Deutschen hält er sich auf einem Gut in der Tschechoslowakei auf, dann muss er wieder fliehen. Es gelingt ihm auf illegalem Weg nach Palästina einzureisen. Dort schließt er sich der englischen Armee an und kämpft bis 1943 in Ägypten und Libyen gegen Italien und das Deutsche Reich. Dann wird er aus gesundheitlichen Gründen entlassen. Die kommenden drei Jahre arbeitet er als Taxi-Chauffeur in Haifa, Palästina. 1946 stellt Hans einen Antrag auf Erteilung der palästinensischen Staatsbürgerschaft und zugleich auf Unterstützung für verfolgte Personen. Er möchte nach Österreich zurückkehren , um seine Familie wieder zu sehen. Ab 1946 lebt Hans mit seiner Frau Margarethe und seinem nun 15-jährigen Sohn Emil in Salzburg und wird dort Geschäftsführer einer Schneiderei.10

Ruth heiratet den technischen Beamten Fritz Drexler. Gemeinsam fliehen sie 1938 nach Rumänien. Dort stirbt ihr Mann verfrüht. 1956 kommt Ruth aus Osteuropa nach Österreich zu ihrem Bruder. Dort erleidet sie einen schweren Nervenzusammenbruch aufgrund ihrer traumatischen Erlebnisse und wird in eine Heilanstalt eingewiesen.11

  1. Vgl. Stadtarchiv Spremberg, Spremberger Adressbücher von 1910 und 1926.
  2. Vgl. https://www.geni.com/people/Gertrud-Schnabl/6000000191803367834 (Stand 13.08.2024).
  3. Vgl. BLHA, Rep. 6C Spremberg 56, Verkauf von Grundstücken jüdischer Bürger in Spremberg.
  4. Vgl. Grabstein der Familie Schnabl auf dem Georgenberg.
  5. Vgl. BLHA, 801 RdB Ctb VdN-149, Bernfeld, *Nathan (Akte).
  6. Vgl. BLHA, Rep. 6C Spremberg 56, Verkauf von Grundstücken jüdischer Bürger in Spremberg.
  7. Vgl. BLHA, Rep. 6C Spremberg 56, Verkauf von Grundstücken jüdischer Bürger in Spremberg.
  8. Vgl. Grabstein der Familie Schnabl auf dem Georgenberg.
  9. Vgl. BLHA, Rep. 6C Spremberg 56, Verkauf von Grundstücken jüdischer Bürger in Spremberg; vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank MyHeritage.de, Österreich, Wien, Jüdische Lebensdaten, 1835-1938, Richard Bader & Gertrud Schnabl.
  10. Vgl. Arolsen Archiv, CM/1 Formulare und verschiedene Begleitdokumente für Displaced Persons in Österreich, Signatur 1698000; vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank MyHeritage.de, Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947, Hans Schnabl.
  11. Vgl. Arolsen Archiv, Schriftwechsel und Auswanderungsakten, Signatur 1722000.
Familie SchnablFamilie Schnabl

kurz-Biografie

06.04.1870Geburt – von Emil Schnabl in Österreich
25.03.1879Geburt – von Ida Wilhelm
03.02.1901Geburt – von Max Schnabl
23.03.1902Geburt – von Gertrud Schnabl
08.08.1903Geburt – von Hans Schnabl in Sagan
26.06.1905Geburt – von Ruth Schnabl in Nowawes (heute Babelsberg)
spätestens 1910Zuzug – von Siegfried Schnabl, der Eheleute Emil & Ida Schnabl & ihrer vier Kinder, Gründung der Firma „Tuchfabrik Emil Schnabl“
1910Wechsel von Hans Schnabl an die Volksschule Spremberg
1913Schulbeginn für Hans Schnabl am Realgymnasium Spremberg
1916Bau der Schnabl'schen Villa auf dem Schomberg
30.07.1922Todestag – von Emil Schnabl
10.09.1924Todestag – von Ida Schnabl
1929Firma "Tuchfabrik Emil Schnabl" geht konkurs
21.12.1935Todestag – von Max Schnabl
23.12.1938Curt Heyde kauft die Villa Schnabl weit unter ihrem Wert im Zuge von "Entjudungsgeschäften"
1929Eheschließung – von Gertrud Schnabl und Richard Bader in Wien
1929Eheschließung – von Hans Schnabl und Margarethe Bonzelj
14.05.1931Geburt – von Emil Schnabl

Verbundene Personen

Bernfeld, NathanArbeitnehmer

Verbundene Orte

Berliner Straße 6Gewerbeeigentum, Arbeitsort
SchombergWohnort
Familie SchnablFamilie Schnabl

kurz-Biografie

06.04.1870Geburt – von Emil Schnabl in Österreich
25.03.1879Geburt – von Ida Wilhelm
03.02.1901Geburt – von Max Schnabl
23.03.1902Geburt – von Gertrud Schnabl
08.08.1903Geburt – von Hans Schnabl in Sagan
26.06.1905Geburt – von Ruth Schnabl in Nowawes (heute Babelsberg)
spätestens 1910Zuzug – von Siegfried Schnabl, der Eheleute Emil & Ida Schnabl & ihrer vier Kinder, Gründung der Firma „Tuchfabrik Emil Schnabl“
1910Wechsel von Hans Schnabl an die Volksschule Spremberg
1913Schulbeginn für Hans Schnabl am Realgymnasium Spremberg
1916Bau der Schnabl'schen Villa auf dem Schomberg
30.07.1922Todestag – von Emil Schnabl
10.09.1924Todestag – von Ida Schnabl
1929Firma "Tuchfabrik Emil Schnabl" geht konkurs
21.12.1935Todestag – von Max Schnabl
23.12.1938Curt Heyde kauft die Villa Schnabl weit unter ihrem Wert im Zuge von "Entjudungsgeschäften"
1929Eheschließung – von Gertrud Schnabl und Richard Bader in Wien
1929Eheschließung – von Hans Schnabl und Margarethe Bonzelj
14.05.1931Geburt – von Emil Schnabl

Die Eheleute Emil Schnabl und Ida geb. Wilhelm ziehen spätestens 1910 mit ihren vier Kindern nach Spremberg. Hier gründet der Vater die Firma „Tuchfabrik Emil Schnabl“in der Berliner Straße 6.1

Ihren Sohn Hans (*1903) schicken sie in Spremberg an die Grundschule, dann ans Realgymnasium und anschließend nach Cottbus an die Webschule. Ihre Tochter Ruth (*1905) wird in Cottbus eingeschult, besucht dort die weiterführende Schule und macht eine Ausbildung zur Textiltechnikerin. Über die Schulzeit der zwei älteren Kinder Max (*1901) und Gertrud (*1902)2 ist noch nichts bekannt.

Erst wohnt die Familie gemeinsam mit Siegfried Schnabl (Verwandtschaftsverhältnis ungeklärt) in der Leipziger Straße 10. 1916 lassen sie sich auf dem Schomberg für 120.000 Reichsmark die „Schnabl'sche Villa“ bauen.3 Dann sterben Emil und Ida aber beide in den 1920er Jahren.4 Den Kindern gelingt es nicht, die Firma durch die Weltwirtschaftskrise zu retten. 1925 stellen sie noch Nathan Bernfeld als Direktor der Schnabl‘schen Tuchfabrik ein. Familie Schnabl kennt Nathan Bernfeld womöglich noch aus Sagan, wo Emil und Nathan beide in Leitungsfunktionen bei der Tuchfabrik Löw-Beer tätig waren.5 1929 geht die Firma pleite und wird verkauft. Die Tuchfabrik läuft fortan unter dem Namen Fischer & Schnabl.

1938 will der Rechtsanwalt Curt Heyde die Villa auf dem Schomberg sowie zwei Acker, die noch im Besitz der Familie sind, für die Hälfte des Marktwertes kaufen. Der Landrat befürwortet diesen billigen Preis nicht und versucht mit zwei Gegenanträgen andere Forderungen an den Käufer durchzusetzen. Er findet nicht, dass die „Arisierung“ des Grundstücks den Preis rechtfertige. Schließlich wird der Kauf zum angegebenen Preis aber mit der Auflage genehmigt, dass drei Wohnungen in der Villa entstehen, die bei der Wohnungsnot in Spremberg helfen sollen. 1941 und 1942 wird der Kaufvertrag noch einmal nachgeprüft - erfolglos. Dazu schreibt der Bürgermeister von Spremberg:

„Der Kaufpreis […] ist […] als Schleuderpreis zu bezeichnen. […] Das Wohnhaus hat einen erstklassigen vornehm ausgestatteten Innenausbau, der dem jetzigen Besitzer voll und ganz zu Gute kommt. Das Grundstück hat eine ausgezeichnete Lage auf dem höchsten Punkt eines Hügels, dem Schomberg, von wo man einen schönen Ausblick auf die ganze Stadt Spremberg und Umgebung hat. Der Hof nebst Einfahrt sind mit Kleinpflaster gepflastert; der Garten ist mit zahlreichen Obstbäumen bepflanzt.“6

Ziel seiner Anmerkungen ist aber keinesfalls die Entschädigung der Schnabl'schen Erben. Vielmehr sollte das Deutsche Reich 10.000 Reichsmark erhalten, die beim sogenannten „Entjudungsgeschäft“ beim Verkauf der Villa dem Reich verloren gegangen seien.7

Weiteres Schicksal der Kinder:

Max Schnabl wird Kaufmann und stirbt jung am 21. Dezember 1935 im Alter von 34 Jahren.8

Getrud, genannt „Gerti“, heiratet 1929 Dr. Richard Bader, einen Rechtsanwalt aus Wien. Sie verstirbt ca. 1938.9

Hans heiratet 1929 in Wien die Damenschneiderin Margarethe Bonzelj, eine Katholikin, und zwei Jahre später kommt dort ihr Sohn Emil zur Welt, den Hans nach seinem Vater benennt. 1934 muss Hans aus der Stadt fliehen und seine Frau und sein dreijähriges Kind zurücklassen. Bis kurz nach der Besetzung des Landes durch die Deutschen hält er sich auf einem Gut in der Tschechoslowakei auf, dann muss er wieder fliehen. Es gelingt ihm auf illegalem Weg nach Palästina einzureisen. Dort schließt er sich der englischen Armee an und kämpft bis 1943 in Ägypten und Libyen gegen Italien und das Deutsche Reich. Dann wird er aus gesundheitlichen Gründen entlassen. Die kommenden drei Jahre arbeitet er als Taxi-Chauffeur in Haifa, Palästina. 1946 stellt Hans einen Antrag auf Erteilung der palästinensischen Staatsbürgerschaft und zugleich auf Unterstützung für verfolgte Personen. Er möchte nach Österreich zurückkehren , um seine Familie wieder zu sehen. Ab 1946 lebt Hans mit seiner Frau Margarethe und seinem nun 15-jährigen Sohn Emil in Salzburg und wird dort Geschäftsführer einer Schneiderei.10

Ruth heiratet den technischen Beamten Fritz Drexler. Gemeinsam fliehen sie 1938 nach Rumänien. Dort stirbt ihr Mann verfrüht. 1956 kommt Ruth aus Osteuropa nach Österreich zu ihrem Bruder. Dort erleidet sie einen schweren Nervenzusammenbruch aufgrund ihrer traumatischen Erlebnisse und wird in eine Heilanstalt eingewiesen.11

  1. Vgl. Stadtarchiv Spremberg, Spremberger Adressbücher von 1910 und 1926.
  2. Vgl. https://www.geni.com/people/Gertrud-Schnabl/6000000191803367834 (Stand 13.08.2024).
  3. Vgl. BLHA, Rep. 6C Spremberg 56, Verkauf von Grundstücken jüdischer Bürger in Spremberg.
  4. Vgl. Grabstein der Familie Schnabl auf dem Georgenberg.
  5. Vgl. BLHA, 801 RdB Ctb VdN-149, Bernfeld, *Nathan (Akte).
  6. Vgl. BLHA, Rep. 6C Spremberg 56, Verkauf von Grundstücken jüdischer Bürger in Spremberg.
  7. Vgl. BLHA, Rep. 6C Spremberg 56, Verkauf von Grundstücken jüdischer Bürger in Spremberg.
  8. Vgl. Grabstein der Familie Schnabl auf dem Georgenberg.
  9. Vgl. BLHA, Rep. 6C Spremberg 56, Verkauf von Grundstücken jüdischer Bürger in Spremberg; vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank MyHeritage.de, Österreich, Wien, Jüdische Lebensdaten, 1835-1938, Richard Bader & Gertrud Schnabl.
  10. Vgl. Arolsen Archiv, CM/1 Formulare und verschiedene Begleitdokumente für Displaced Persons in Österreich, Signatur 1698000; vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank MyHeritage.de, Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947, Hans Schnabl.
  11. Vgl. Arolsen Archiv, Schriftwechsel und Auswanderungsakten, Signatur 1722000.

Verbundene Personen

Bernfeld, NathanArbeitnehmer

Verbundene Orte

Berliner Straße 6Gewerbeeigentum, Arbeitsort
SchombergWohnort

Quellenangaben

Brandenburgisches Landeshauptarchiv:

  • Rep. 6C Spremberg 56, Verkauf von Grundstücken jüdischer Bürger in Spremberg.
  • 801 RdB Ctb VdN-149, Bernfeld, *Nathan (Akte).

Stadtpark Spremberg:

  • Grabstein der Familie Schnabl auf dem Georgenberg.

Arolsen Archiv:

  • Schriftwechsel und Auswanderungsakten, Signatur 1722000.
  • CM/1 Formulare und verschiedene Begleitdokumente für Displaced Persons in Österreich, Signatur 1698000.

Archiv der Ahnenforschungsdatenbank MyHeritage.de:

  • Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947, Hans Schnabl.