Chaim Jossek Fuks erblickt am 14. Januar 1908 Brzeziny (bei Łódź in Polen) das Licht der Welt.1 Kurz nach seiner Geburt ziehen sein Vater Chune Fuks, seine Mutter Rywka geb. Neumann mit ihm und seinem älteren Bruder Hilel nach Cottbus. Hier kommen zwei weitere Kinder zur Welt, Max und Thekla. Sie sind polnische Staatsbürger, die eine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland haben. Teilweise geben sie sich hier deutschsprachige Namen, aus Jossek wird Josef.2
Vater Chune alias Kuno betreibt in Cottbus eine Schuhwarenhandlung. Jossek macht als Kaufmann in Spremberg eine eigene Filiale auf, in der Friedrich-Ebert-Straße 5 (heute Karl-Marx-Straße).3 Dann entscheidet sich die Familie dazu, dass Josseks älterer Bruder Hilel das Geschäft in Spremberg übernimmt. Dieser zieht 1932 nach Spremberg und verlegt den Laden mit dem Namen „Schuh-Fuks“ in die Lange Straße 8.4 Es kann angenommen werden, dass auch vor seinem Geschäft ab April 1933 mit dem „Judenboykott“ ein Schild mit der Aufschrift “Kauft nicht beim Juden“ aufgehängt wird. Von 1935 existiert ein Foto von der Langen Straße, wo solch ein Schild vor dem Bekleidungsgeschäft der Eheleute Jacob hängt, welche ihren Laden direkt gegenüber vom “Schuh-Fuks“ hatten. Die Jacobs verlassen Ende 1935/Anfang 1936 Spremberg, weil sie kein wirtschaftliches Auskommen mehr haben.
1936 stirbt Hilel plötzlich mit nur 34 Jahren aus unbekannten Gründen.5 “Schuh-Fuks“ geht erst einmal an dessen Ehefrau Hilde über. Doch sie scheint keine Zukunft für sich und ihre höchstens vier Jahre alte Tochter in Spremberg zu sehen. Sie übergibt das Geschäft wieder Jossek und zieht zurück zu ihren Eltern nach Dresden.6
Jossek scheint noch eine ganze Zeit zu hoffen, dass sich das Geschäft irgendwie halten lässt, dass vielleicht bessere Zeiten kommen. Erst im Herbst 1938 vereinbart er einen Kaufvertrag mit dem Schuhwarenhändler Paul Irmler aus Forst. Am 24. Oktober wird der Vertrag unterschrieben. Mit dem Verkauf schließt das letzte Geschäft in Spremberg, das je von einem Juden geführt wurde. Am selben Tag fährt Jossek nach Berlin, um seinen abgelaufenen Reisepass beim polnischen Konsulat verlängern zu lassen.7 Möglicherweise plant er, Deutschland zu verlassen. Während er auf seinen Pass wartet, hält er sich vermutlich in Berlin auf.
Nur fünf Tage später, am 29. Oktober 1938 werden Jossek sowie die gesamte Familie Fuks in Cottbus in der sogenannten Polenaktion des NS-Regimes nach Polen ausgewiesen. Ein Schicksal, das sie mit ca. 17.000 aus Polen stammenden Juden und Jüdinnen teilen. Mit dem Zug werden sie an die Grenze nach Neu-Bentschen gefahren und dort zu Fuß auf die polnische Seite nach Zbąszyń getrieben, wo sich die vollkommen überraschten und überforderten polnischen Grenzpolizisten jetzt Gedanken machen müssen, wie es mit den vielen Menschen weitergehen soll. Zuvor haben die Nationalsozialisten die Aufenthaltsgenehmigungen der betroffenen Jüdinnen und Juden in den Pässen durchgestrichen und als ungültig erklärt, sodass keiner von ihnen nach Deutschland zurück kann. Josseks Eltern werden nach Łódź in ihrere frühere Heimat geschickt, aber bei Jossek selbst gestaltet sich die Situation schwieriger, wie er selbst beschreibt:
"Ich bin doch ohne Pass gefahren, da dieser zur Verlängerung beim Konsulat in Berlin liegt, folglich liege ich vorerst an der polnischen Grenze fest und ist es mir nicht erlaubt, zu meinen Eltern nach Łódź zu fahren. Im Übrigen liegen noch weitere tausende Menschen an der Grenze fest und können diese vorerst nicht weiterfahren, bis eine Einigung der Regierungen getroffen ist. Jedenfalls hat uns ein schweres, hartes Schicksal getroffen.“8
Jossek kontaktiert mit diesen Worten den jüdischen Rechtsanwalt Hermann Hammerschmidt in Cottbus, damit der sich vor Ort um alle Angelegenheiten kümmern kann. Zuerst solle er kontrollieren, ob die Wohnung von Jossek und seinen Eltern sowie die Geschäfte gut verschlossen sind. Auch die nächste Miete solle er schon mal bezahlen und dann veranlassen, dass Jossek seinen Pass aus Berlin erhält. Auch für den „Schuh-Fuks“ in Spremberg gibt es noch Handlungsbedarf. Zwar liegt der unterschriebene Kaufvertrag vor, jedoch hatte Jossek nicht damit rechnen können, dass er plötzlich nicht mehr vor Ort sein würde, um Einzelheiten zu klären.
Am 9. November 1938 schreibt der Rechtsanwalt deswegen ans polnische Konsulat, natürlich noch völlig ahnungslos, was an diesem Tag passieren wird. Dann erhält er auch noch einen Anruf aus Spremberg, ob er nicht zur Übergabe des Ladens vorbeikommen könne, denn Herr Irmler plane einen Umbau, bevor er im Weihnachtsgeschäft des Jahres noch neu eröffnen wolle. Rechtsanwalt Hammerschmidt kommt dem nach und wickelt die Übergabe an diesem Tag ab. 9 Am Abend gegen 22:30 Uhr wird per Telefon der Auftrag zur Zerstörung jüdischer Geschäfte und zum Anzünden von Synagogen ins ganze Land gegeben.
In jener Reichspogromnacht wird das Geschäft von Josseks Eltern in Cottbus angezündet und brennt bis zum Morgen des nächsten Tages aus.10 Ob sein verkauftes Geschäft in Spremberg auch betroffen ist, ist unklar. Da es bereits verkauft war, mag es sein, dass davor Halt gemacht wurde. Klaus Rebelsky, der ebenfalls zum Schicksal jüdischer Bürger in Spremberg forschte, berichtet, dass dem Schuhhändler Fuks in Spremberg die Scheibe eingeschlagen worden sei.11
Am 12. November fragt Jossek brieflich beim Rechtsanwalt nach, ob der seinen ersten Brief vielleicht nicht erhalten habe. Sein Schreiben zeigt, dass er noch nicht erfahren hat, was in Cottbus in der Reichspogromnacht geschehen ist.12
Im Frühjahr 1939 befindet sich Jossek immer noch in Polizeigewahrsam an der polnischen Grenze.13 Warum er seinen Pass nicht schon erhalten hat, ist ungeklärt. Das Finanzamt Spremberg fordert in diesem Frühjahr sogar noch eine Steuererklärung von ihm für das vergangene Jahr.14 Seine Schwägerin Hilde steht mittlerweile kurz vor der Ausreise aus Deutschland. Da die finanziellen Angelegenheiten der Familie noch nicht geklärt werden konnten, schreibt sie ihrerseits an den Rechtsanwalt:
“Ich habe immer gedacht, mein Schwager kommt jeden Tag zurück, da er aber bis heute noch nicht da ist und ich ernstlich vor der Auswanderung stehe, bitte ich Sie, mir umgehend das Geld zu senden.“15
Im Mai 1939 erhält Jossek endlich eine 8-wöchige Aufenthaltsgenehmigung, zur Abwicklung aller Geschäfte der Familie nach Deutschland zurückzukehren.16 Auch seine Schwester Thekla bekommt eine Genehmigung. Sie darf aus ungeklärten Gründen in Berlin leben.17
Jossek versucht einige Wertsachen, Möbel und Geld mit nach Łódź zu seinen Eltern nehmen zu können. Doch die Familie wird in jeglicher Hinsicht blockiert. Bis er wieder ausreisen muss, kann er kaum etwas bewirken.18 Dem Rechtsanwalt Hammerschmidt geht es ebenso. Die Überweisung des Vermögens, die Zahlung des Versicherungsschadens für das abgebrannte Geschäft, der Versand von Mobiliar und Kleidung aus der Wohnung, die sie alle überstürzt verlassen mussten - all das wird vom NS-Regime blockiert. Noch dazu fordert der Vermieter der Familie eine Renovierung der verlassenen Wohnung und der Oberbürgermeister von Cottbus die Wiederherstellung des schönen Straßenbildes beim abgebrannten Geschäft.19
Josseks Mutter schreibt an den Rechtsanwalt:
„Wir haben 30 Jahre schwer arbeiten müssen, um zu einer gewissen bescheidenen Wohlhabenheit zu gelangen. Unsere Sorge galt den Kindern, insbesondere unserer Tochter Thekla, die schon in frühester Kindheit bei einem Wohnungsbrand schwere Brandwunden am Körper davontrug. Nach 30 Jahren Arbeit trifft uns nun ein schwerer Schlag nach dem anderen.“20
Nach seinem Deutschlandaufenthalt geht Jossek zu seinen Eltern nach Lódź. Nach Kriegsbeginn werden sie alle im Januar 1940 im Ghetto Litzmannstadt inhaftiert, mit 90 Personen leben sie zusammengedrängt in einem Haus.21 Josseks Leben endet dort am 3. November 1942 im Alter von 34 Jahren. Er stirbt ein halbes Jahr nach seinem Vater. Das Todesdatum seiner Mutter ist unbekannt wie auch das seines Bruders Max, der 1944 noch ins Konzentrationslager Buchenwald deportiert wird, als die Deutschen versuchen das Ghetto aufgrund der anrückenden Roten Armee zu räumen. Josseks Schwester Thekla wird 1942 mit ihrer neugeborenen Tochter Zilla ebenfalls nach Polen deportiert, wo sie beide ermordert werden.22 Nur seine Schwägerin Hilde überlebt den Völkermord, weil sie nach England fliehen konnte.23
Im März 2017 bekamen Jossek und die anderen Mitglieder der Familie Fuks STOLPERSTEINE in Cottbus in der Neustädter Straße.24
14.01.1908 | Geburt – in Brzeziny |
1908 | Zuzug nach Cottbus |
1930er Jahre | Eröffnung Schuhgeschäft in Spremberg |
Ende 1932 | Übergabe seines Schuhgeschäfts in Spremberg an seinen Bruder Hilel |
1937 | Übernahme des Geschäfts "Schuh-Fuks" in Spremberg |
24.10.1938 | Verkauf vom Geschäft "Schuh-Fuks" |
29.10.1938 | Ausweisung nach Polen |
1940 | Deportation ins Ghetto Litzmannstadt |
03.11.1942 | Todestag – Ermordung im Ghetto Litzmannstadt |
März 2017 | Stolpersteinverlegung – in Cottbus, Neustädter Straße |
Fuks, Hilel | Bruder |
Fuks, Hildegard | Schwägerin |
Jacob, Salo | jüdischer Geschäftsmann in der Langen Straße |
Karl-Marx-Straße | Arbeitsort |
14.01.1908 | Geburt – in Brzeziny |
1908 | Zuzug nach Cottbus |
1930er Jahre | Eröffnung Schuhgeschäft in Spremberg |
Ende 1932 | Übergabe seines Schuhgeschäfts in Spremberg an seinen Bruder Hilel |
1937 | Übernahme des Geschäfts "Schuh-Fuks" in Spremberg |
24.10.1938 | Verkauf vom Geschäft "Schuh-Fuks" |
29.10.1938 | Ausweisung nach Polen |
1940 | Deportation ins Ghetto Litzmannstadt |
03.11.1942 | Todestag – Ermordung im Ghetto Litzmannstadt |
März 2017 | Stolpersteinverlegung – in Cottbus, Neustädter Straße |
Chaim Jossek Fuks erblickt am 14. Januar 1908 Brzeziny (bei Łódź in Polen) das Licht der Welt.1 Kurz nach seiner Geburt ziehen sein Vater Chune Fuks, seine Mutter Rywka geb. Neumann mit ihm und seinem älteren Bruder Hilel nach Cottbus. Hier kommen zwei weitere Kinder zur Welt, Max und Thekla. Sie sind polnische Staatsbürger, die eine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland haben. Teilweise geben sie sich hier deutschsprachige Namen, aus Jossek wird Josef.2
Vater Chune alias Kuno betreibt in Cottbus eine Schuhwarenhandlung. Jossek macht als Kaufmann in Spremberg eine eigene Filiale auf, in der Friedrich-Ebert-Straße 5 (heute Karl-Marx-Straße).3 Dann entscheidet sich die Familie dazu, dass Josseks älterer Bruder Hilel das Geschäft in Spremberg übernimmt. Dieser zieht 1932 nach Spremberg und verlegt den Laden mit dem Namen „Schuh-Fuks“ in die Lange Straße 8.4 Es kann angenommen werden, dass auch vor seinem Geschäft ab April 1933 mit dem „Judenboykott“ ein Schild mit der Aufschrift “Kauft nicht beim Juden“ aufgehängt wird. Von 1935 existiert ein Foto von der Langen Straße, wo solch ein Schild vor dem Bekleidungsgeschäft der Eheleute Jacob hängt, welche ihren Laden direkt gegenüber vom “Schuh-Fuks“ hatten. Die Jacobs verlassen Ende 1935/Anfang 1936 Spremberg, weil sie kein wirtschaftliches Auskommen mehr haben.
1936 stirbt Hilel plötzlich mit nur 34 Jahren aus unbekannten Gründen.5 “Schuh-Fuks“ geht erst einmal an dessen Ehefrau Hilde über. Doch sie scheint keine Zukunft für sich und ihre höchstens vier Jahre alte Tochter in Spremberg zu sehen. Sie übergibt das Geschäft wieder Jossek und zieht zurück zu ihren Eltern nach Dresden.6
Jossek scheint noch eine ganze Zeit zu hoffen, dass sich das Geschäft irgendwie halten lässt, dass vielleicht bessere Zeiten kommen. Erst im Herbst 1938 vereinbart er einen Kaufvertrag mit dem Schuhwarenhändler Paul Irmler aus Forst. Am 24. Oktober wird der Vertrag unterschrieben. Mit dem Verkauf schließt das letzte Geschäft in Spremberg, das je von einem Juden geführt wurde. Am selben Tag fährt Jossek nach Berlin, um seinen abgelaufenen Reisepass beim polnischen Konsulat verlängern zu lassen.7 Möglicherweise plant er, Deutschland zu verlassen. Während er auf seinen Pass wartet, hält er sich vermutlich in Berlin auf.
Nur fünf Tage später, am 29. Oktober 1938 werden Jossek sowie die gesamte Familie Fuks in Cottbus in der sogenannten Polenaktion des NS-Regimes nach Polen ausgewiesen. Ein Schicksal, das sie mit ca. 17.000 aus Polen stammenden Juden und Jüdinnen teilen. Mit dem Zug werden sie an die Grenze nach Neu-Bentschen gefahren und dort zu Fuß auf die polnische Seite nach Zbąszyń getrieben, wo sich die vollkommen überraschten und überforderten polnischen Grenzpolizisten jetzt Gedanken machen müssen, wie es mit den vielen Menschen weitergehen soll. Zuvor haben die Nationalsozialisten die Aufenthaltsgenehmigungen der betroffenen Jüdinnen und Juden in den Pässen durchgestrichen und als ungültig erklärt, sodass keiner von ihnen nach Deutschland zurück kann. Josseks Eltern werden nach Łódź in ihrere frühere Heimat geschickt, aber bei Jossek selbst gestaltet sich die Situation schwieriger, wie er selbst beschreibt:
"Ich bin doch ohne Pass gefahren, da dieser zur Verlängerung beim Konsulat in Berlin liegt, folglich liege ich vorerst an der polnischen Grenze fest und ist es mir nicht erlaubt, zu meinen Eltern nach Łódź zu fahren. Im Übrigen liegen noch weitere tausende Menschen an der Grenze fest und können diese vorerst nicht weiterfahren, bis eine Einigung der Regierungen getroffen ist. Jedenfalls hat uns ein schweres, hartes Schicksal getroffen.“8
Jossek kontaktiert mit diesen Worten den jüdischen Rechtsanwalt Hermann Hammerschmidt in Cottbus, damit der sich vor Ort um alle Angelegenheiten kümmern kann. Zuerst solle er kontrollieren, ob die Wohnung von Jossek und seinen Eltern sowie die Geschäfte gut verschlossen sind. Auch die nächste Miete solle er schon mal bezahlen und dann veranlassen, dass Jossek seinen Pass aus Berlin erhält. Auch für den „Schuh-Fuks“ in Spremberg gibt es noch Handlungsbedarf. Zwar liegt der unterschriebene Kaufvertrag vor, jedoch hatte Jossek nicht damit rechnen können, dass er plötzlich nicht mehr vor Ort sein würde, um Einzelheiten zu klären.
Am 9. November 1938 schreibt der Rechtsanwalt deswegen ans polnische Konsulat, natürlich noch völlig ahnungslos, was an diesem Tag passieren wird. Dann erhält er auch noch einen Anruf aus Spremberg, ob er nicht zur Übergabe des Ladens vorbeikommen könne, denn Herr Irmler plane einen Umbau, bevor er im Weihnachtsgeschäft des Jahres noch neu eröffnen wolle. Rechtsanwalt Hammerschmidt kommt dem nach und wickelt die Übergabe an diesem Tag ab. 9 Am Abend gegen 22:30 Uhr wird per Telefon der Auftrag zur Zerstörung jüdischer Geschäfte und zum Anzünden von Synagogen ins ganze Land gegeben.
In jener Reichspogromnacht wird das Geschäft von Josseks Eltern in Cottbus angezündet und brennt bis zum Morgen des nächsten Tages aus.10 Ob sein verkauftes Geschäft in Spremberg auch betroffen ist, ist unklar. Da es bereits verkauft war, mag es sein, dass davor Halt gemacht wurde. Klaus Rebelsky, der ebenfalls zum Schicksal jüdischer Bürger in Spremberg forschte, berichtet, dass dem Schuhhändler Fuks in Spremberg die Scheibe eingeschlagen worden sei.11
Am 12. November fragt Jossek brieflich beim Rechtsanwalt nach, ob der seinen ersten Brief vielleicht nicht erhalten habe. Sein Schreiben zeigt, dass er noch nicht erfahren hat, was in Cottbus in der Reichspogromnacht geschehen ist.12
Im Frühjahr 1939 befindet sich Jossek immer noch in Polizeigewahrsam an der polnischen Grenze.13 Warum er seinen Pass nicht schon erhalten hat, ist ungeklärt. Das Finanzamt Spremberg fordert in diesem Frühjahr sogar noch eine Steuererklärung von ihm für das vergangene Jahr.14 Seine Schwägerin Hilde steht mittlerweile kurz vor der Ausreise aus Deutschland. Da die finanziellen Angelegenheiten der Familie noch nicht geklärt werden konnten, schreibt sie ihrerseits an den Rechtsanwalt:
“Ich habe immer gedacht, mein Schwager kommt jeden Tag zurück, da er aber bis heute noch nicht da ist und ich ernstlich vor der Auswanderung stehe, bitte ich Sie, mir umgehend das Geld zu senden.“15
Im Mai 1939 erhält Jossek endlich eine 8-wöchige Aufenthaltsgenehmigung, zur Abwicklung aller Geschäfte der Familie nach Deutschland zurückzukehren.16 Auch seine Schwester Thekla bekommt eine Genehmigung. Sie darf aus ungeklärten Gründen in Berlin leben.17
Jossek versucht einige Wertsachen, Möbel und Geld mit nach Łódź zu seinen Eltern nehmen zu können. Doch die Familie wird in jeglicher Hinsicht blockiert. Bis er wieder ausreisen muss, kann er kaum etwas bewirken.18 Dem Rechtsanwalt Hammerschmidt geht es ebenso. Die Überweisung des Vermögens, die Zahlung des Versicherungsschadens für das abgebrannte Geschäft, der Versand von Mobiliar und Kleidung aus der Wohnung, die sie alle überstürzt verlassen mussten - all das wird vom NS-Regime blockiert. Noch dazu fordert der Vermieter der Familie eine Renovierung der verlassenen Wohnung und der Oberbürgermeister von Cottbus die Wiederherstellung des schönen Straßenbildes beim abgebrannten Geschäft.19
Josseks Mutter schreibt an den Rechtsanwalt:
„Wir haben 30 Jahre schwer arbeiten müssen, um zu einer gewissen bescheidenen Wohlhabenheit zu gelangen. Unsere Sorge galt den Kindern, insbesondere unserer Tochter Thekla, die schon in frühester Kindheit bei einem Wohnungsbrand schwere Brandwunden am Körper davontrug. Nach 30 Jahren Arbeit trifft uns nun ein schwerer Schlag nach dem anderen.“20
Nach seinem Deutschlandaufenthalt geht Jossek zu seinen Eltern nach Lódź. Nach Kriegsbeginn werden sie alle im Januar 1940 im Ghetto Litzmannstadt inhaftiert, mit 90 Personen leben sie zusammengedrängt in einem Haus.21 Josseks Leben endet dort am 3. November 1942 im Alter von 34 Jahren. Er stirbt ein halbes Jahr nach seinem Vater. Das Todesdatum seiner Mutter ist unbekannt wie auch das seines Bruders Max, der 1944 noch ins Konzentrationslager Buchenwald deportiert wird, als die Deutschen versuchen das Ghetto aufgrund der anrückenden Roten Armee zu räumen. Josseks Schwester Thekla wird 1942 mit ihrer neugeborenen Tochter Zilla ebenfalls nach Polen deportiert, wo sie beide ermordert werden.22 Nur seine Schwägerin Hilde überlebt den Völkermord, weil sie nach England fliehen konnte.23
Im März 2017 bekamen Jossek und die anderen Mitglieder der Familie Fuks STOLPERSTEINE in Cottbus in der Neustädter Straße.24
Fuks, Hilel | Bruder |
Fuks, Hildegard | Schwägerin |
Jacob, Salo | jüdischer Geschäftsmann in der Langen Straße |
Karl-Marx-Straße | Arbeitsort |
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