Familie Mosse

Nachdem im März 1829 den “Friedländer Schutzjuden“ erlaubt wird, sich in anderen Städten in der Niederlausitz niederzulassen und Handel zu betreiben, zieht der jüdische Kaufmann Itzig Mosse (geboren als Isaac Moses, *1801 in Friedland) nach Spremberg. Er ist frisch verheiratet mit der 15-jährigen Fanny geb. Ball (*1815 in Czempien), wie es zu jener Zeit nach ihrer jüdischen Herkunft üblich ist. 1

Itzig und Fanny sind damit die ersten in Spremberg lebenden Juden, die bisher namentlich bekannt sind. Itzig betreibt sein Geschäft in der Lange Gasse (heute Lange Straße) mit einem breiten Angebot: Textilien, Bettfedern, Matjes-Heringe, exotische Nüsse und Citrusfrüchte, Pflanzensamen, eiserne Ringe für Fässer, Stiefeleisen, und mehr.2 Aus Zeitungsannoncen ist ersichtlich, dass sie ihr Geschäft an jüdischen Festtagen geschlossen halten.3

Bald darauf folgt Itzig sein Bruder Dr. Marcus Mosse nach Spremberg und wird hier als Wundarzt, Geburtshelfer, Kommunal- und Armenarzt tätig. 16 Monate später verlässt er die Stadt aber wieder aus unbekannten Gründen.4 Vielleicht sind es persönliche - kurz zuvor hat er seiner Nichte, Itzigs und Fannys Tochter Amanda, auf die Welt geholfen, die aber noch am selben Tag verstorben ist.5 Oder aber es liegt an der Akzeptanz in der Stadt.

1838 protestieren die Spremberger bei der Regierung in Frankfurt/Oder gegen das Wohnen von Itzig und Fanny Mosse in Spremberg.6 Was wohl acht Jahre nach deren Zuzug Anlass dazu gegeben hat? Der Protest wird mit folgender Begründung abgewiesen:

"Die Höhere Behörde [betrachtet] den Itzig Mosse nicht als Juden aus einer fremden Provinz, sondern als einen in der Niederlausitz eingebürgerten jüdischen Glaubensgenossen.“7

Die Eheleute Mosse haben mittlerweile schon drei Kinder in Spremberg bekommen und ein viertes wird noch folgen: Emmeline (*1832), Amanda (*1834), Salomon (*1836, kurz vor dessen Geburt Itzig offiziell der Königlichen Regierung bestätigung muss, dass er seinen Kindern keine christlichen Taufnamen geben wird) und Hulda (*1842).8

Zeitgleich mit der Geburt des letzten Kindes beantragt Itzig, das von ihm bewohnte Haus in der Leipziger Straße in Spremberg auch auf seinen Namen umschreiben zu lassen. Der Stadtrat lehnt das ab. Erst fünf Jahre später wird es ihm mit einem neuen Gesetz ermöglicht. So erhält Itzig Mosse 17 Jahre, nachdem er nach Spremberg zog, seinen Bürgerbrief überreicht. Sogleich wird er Mitglied des Armenunterstützungsvereins und bald darauf Stadtverordneter.9

In den 1860er Jahren bekommt Itzig größere gesundheitliche Beschwerden. Im Sommer 1864 fährt er mit seiner Frau Fanny und seinem selbst schwerkranken Bruder Marcus zur Kur ins Thermalbad Teplitz. Marcus stirbt im darauffolgenden Jahr.10

Während Itzigs und Fannys Töchter Emmeline und Hulda nach Forst und Berlin verzogen sind, bekommen sie über ihren Sohn Salomon in dieser Zeit drei Enkelkinder in Sprembegr: Emmeline (*1868, nach Salomons Schwester benannt, die kurz zuvor verstarb), Willy (*1870) und Georg (*1871). Salomon ist selbst als Kaufmann in Spremberg tätig und hat hier die Jüdin Sophie Schlesinger geheiratet.11

1872 erweitert Itzig sein Geschäft um ein Bank- und Wechselgeschäft und verlegt den Firmensitz auf sein Wohngrundstück in der Leipziger Straße. Im Zuge dessen wird Itzig zum Vetreter für die Preußische Hypotheken-Aktien-Bank und für die Mecklenburgische Hypotheken-Wechselbank in der Region Spremberg ernannt. Auch das Amt eines Königlichen Lotterie-Untereinnehmers und die Führung der Spremberger Agentur einer Feuer-Versicherungsgesellschaft werden ihm übertragen übertragen.12

Nicht lange drauf verlassen Itzig und Fanny Spremberg und ziehen etwa Ende 1873 nach Berlin. Wahrscheinlich, um im Alter und mit ihren gesundheitlichen Beschwerden, mehr Komfort und eine bessere Versorgung zu erhalten. Auch ihr Sohn Salomon folgt ihnen mit seiner Familie. Fanny Mosse stirbt 1874 im Alter von 59 Jahren und Itzig Mosse folgt ihr drei Monate später und fünf Tage nach seinem 74. Geburtstag. Sie werden nebeneinander auf dem jüdischen Friedhof in der Schönhauser Allee beigesetzt.13

Weiteres Schicksal der in Spremberg geborenen Familienmitglieder:

  • Emmeline Mosse heiratet den jüdischen Arzt Louis Koeben. Sie bekommen min. zwei Kinder, Felix (*1859) und Hedwig (*1860). Emmeline stirbt am 22. November 1867 im Alter von 35 Jahren in Forst.14
  • Emmeline Kirstein geb. Oppenheim
    Hulda Mosse heiratet Max Oppenheim und bevor Max jung verstirbt, bekommen die beiden vier Töchter: Rosa (1866-1926), Margarethe (*1867), Emmeline (*1869, 1939 Flucht nach Brasilien), und Gertrud (1872-1903). Hulda heiratet daraufhin Theodor Oppenheim, mit dem sie einen Sohn, Max (*1883-1942, in Auschwitz ermordet) bekommt. Sie stirbt im Alter von 59 Jahren in Berlin.15
  • Emmeline Mosse (Enkelin von Itzig) heiratet 1903 nach einer Scheidung vom Kaufmann Waldemar Ball, den Kaufmann Karl Friedrich Häring in Berlin, beide Männer evangelischer Konfession.16 Eine Tochter von ihrem ersten Ehemann stirbt im Alter von 8 Jahren, eine zweite Tochter heiratet später in Hamburg einen jüdischen Handelsgehilfen. Sie selbst wurde evangelisch getauft.17
  • Willy Mosse wird Kaufmann. Er heiratet 1896 in Berlin die Verkäuferin Gertrud Pommer, evangelischer Konfession.18 Am 19. Dezember 1939 stirbt er im Alter von 69 Jahren im jüdischen Krankenhaus in Berlin.19
  • Georg Mosse wird ebenfalls Kaufmann. Er heiratet zum ersten Mal 1894 in Berlin die Wirtschafterin Ida Margarethe Rudorff, evangelischer Konfession,20 und zum zweiten Mal 1921 im Alter von 50 Jahren die Verkäuferin Elisabeth Promnitz.21 Am 24. Januar 1931 stirbt er in Berlin in seiner Wohnung im Alter von 59 Jahren. Bei seinem Tod ermittelt die Kriminalpolizei aus unbekannten Gründen.22
  1. Vgl. Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004, Seite 36.
  2. Vgl. Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004, Seite 37.
  3. Vgl. Archiv des Niederlausitzer Heidemuseums, Spremberger Kreisblatt Ausgabe vom 04.10.1851 und 11.09.1852.
  4. Vgl. Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004, Seite 38.
  5. Vgl. Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004, Seite 40.
  6. Vgl. Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004, Seite 36.
  7. Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004, Seite 36.
  8. Vgl. Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004, Seite 40.
  9. Vgl. Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004, Seite 37.
  10. Vgl. Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004, Seite 37f.
  11. Vgl. Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004, Seite 41.
  12. Vgl. Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004, Seite 37.
  13. Vgl. Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004, Seite 38.
  14. Vgl. Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004, Seite 40.
  15. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Königreich Preußen und Freistaat Preußen, Deutschland, evangelische Kirchenbücher, 1661-1944, Heirat von Max Oppenheim und Hulda Mosse.
  16. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1936 für Waldemar Ball und Emmeline Mosse; vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1936 für Karl Friedrich Häring und Emmeline Ball.
  17. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Sterberegister, 1874-1955 für Elsbeth Ball; vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Hamburg, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1920 für Otto Singer und Alice Ball.
  18. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1936 für Willÿ Mosse und Auguste Martha Gertrud Pommer.
  19. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Sterberegister, 1874-1955 für Willÿ Mosse.
  20. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1936 für Georg Mosse und Ida Margarethe Rudorff.
  21. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1936 für Georg Mosse und Elisabeth Promnitz.
  22. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Sterberegister, 1874-1955 für Georg Mosse.

kurz-Biografie

12.01.1801Geburt – von Isaac Moses in Friedland (Niederlausitz)
03.08.1803Geburt – von Marcus Mosse in Friedland (Niederlausitz)
1830Zuzug – von Itzig Mosse und Ehefrau Fanny geb. Ball nach Spremberg, Eröffnung eines Geschäfts
22.05.1832Geburt – von Emmeline Mosse in Spremberg
1833Zuzug – von Dr. Marcus Mosse nach Spremberg als Wundarzt, Geburtshelfer, Kommunal- und Armenarzt
31.05.1834Geburt – von Amanda Mosse in Spremberg
31.05.1834Todestag – von Amanda Mosse in Spremberg
Ende 1834Weggang – von Dr. Marcus Mosse von Spremberg nach Grätz, Posen
14.08.1836Itzig Mosse bestätigt der Regierung, dass er seinen Kindern keine christlichen Taufnamen geben wird.
21.08.1836Geburt – von Salomon Mosse in Spremberg
03.05.1838Protest der Spremberger gegen die Etablierung der Familie Mosse wird abgewiesen.
03.06.1842Geburt – von Hulda Mosse in Spremberg
Juni 1842Itzig Mosses Antrag, sein Wohnhaus auf seinen Namen umzuschreiben, wird vom Spremberger Stadtrat abgelehnt.
16.08.1847Itzig Mosse erhält Bürgerbrief für Spremberg, wird Mitglied im Armenverein und Stadtrat
01.01.1854Zuzug – von Therese und Leonore Mosse nach Spremberg zu ihrem Onkel Itzig Mosse
01.07.1855Weggang – von Therese und Leonore Mosse aus Spremberg
spätestens Dez 1864Weggang – von Hulda Mosse aus Spremberg
08.12.1864Eheschließung – von Hulda Mosse und Max Oppenheim in Berlin
23.07.1867Eheschließung – von Salomon Mosse und Sophie Schlesinger in Spremberg
22.11.1867Todestag – von Emmeline Koeben geb. Mosse in Forst
01.05.1868Geburt – von Emmeline Mosse in Spremberg
Sommer 1869Zuzug – von Itzig Mosses Enkel Felix Koeben nach Spremberg, um die Realschule zu besuchen
31.03.1870Geburt – von Willy Mosse in Spremberg
28.09.1871Geburt – von Georg Mosse in Spremberg
Oktober 1872Geschäftserweiterung von Itzig Mosse mit Bank- und Wechselgeschäft in Spremberg
1873/1874Weggang – von Itzig und Fanny Mosse nach Berlin
28.10.1874Todestag – von Fanny Mosse in Berlin
Mitte/Ende 1874Weggang – von Salomon und Sophie Mosse mit drei Kindern nach Berlin
17.01.1875Todestag – von Itzig Mosse in Berlin
16.03.1875Eheschließung – von Hulda Oppenheim geb. Mosse mit Theodor Oppenheim in Berlin
29.12.1888Todestag – von Salomon Mosse in Berlin
16.04.1896Eheschließung – von Willy Mosse und Gertrud Pommer in Berlin
04.01.1890Eheschließung – von Emmeline Mosse und Waldemar Ball in Berlin, 10 Jahre später Scheidung
14.11.1901Todestag – von Hulda Oppenheim geb. Mosse in Berlin
06.10.1903Eheschließung – von Emmeline Mosse und Karl Friedrich Häring in Berlin
10.12.1921Eheschließung – von Georg Mosse und Elisabeth Promnitz in Berlin
24.01.1931Todestag – von Georg Mosse in Berlin
19.12.1939Todestag – von Willy Mosse in Berlin

Verbundene Personen

Schlesinger, Familieangeheiratete Verwandte

Verbundene Orte

Lange StraßeArbeitsort
Leipziger StraßeWohnort, Arbeitsort

kurz-Biografie

12.01.1801Geburt – von Isaac Moses in Friedland (Niederlausitz)
03.08.1803Geburt – von Marcus Mosse in Friedland (Niederlausitz)
1830Zuzug – von Itzig Mosse und Ehefrau Fanny geb. Ball nach Spremberg, Eröffnung eines Geschäfts
22.05.1832Geburt – von Emmeline Mosse in Spremberg
1833Zuzug – von Dr. Marcus Mosse nach Spremberg als Wundarzt, Geburtshelfer, Kommunal- und Armenarzt
31.05.1834Geburt – von Amanda Mosse in Spremberg
31.05.1834Todestag – von Amanda Mosse in Spremberg
Ende 1834Weggang – von Dr. Marcus Mosse von Spremberg nach Grätz, Posen
14.08.1836Itzig Mosse bestätigt der Regierung, dass er seinen Kindern keine christlichen Taufnamen geben wird.
21.08.1836Geburt – von Salomon Mosse in Spremberg
03.05.1838Protest der Spremberger gegen die Etablierung der Familie Mosse wird abgewiesen.
03.06.1842Geburt – von Hulda Mosse in Spremberg
Juni 1842Itzig Mosses Antrag, sein Wohnhaus auf seinen Namen umzuschreiben, wird vom Spremberger Stadtrat abgelehnt.
16.08.1847Itzig Mosse erhält Bürgerbrief für Spremberg, wird Mitglied im Armenverein und Stadtrat
01.01.1854Zuzug – von Therese und Leonore Mosse nach Spremberg zu ihrem Onkel Itzig Mosse
01.07.1855Weggang – von Therese und Leonore Mosse aus Spremberg
spätestens Dez 1864Weggang – von Hulda Mosse aus Spremberg
08.12.1864Eheschließung – von Hulda Mosse und Max Oppenheim in Berlin
23.07.1867Eheschließung – von Salomon Mosse und Sophie Schlesinger in Spremberg
22.11.1867Todestag – von Emmeline Koeben geb. Mosse in Forst
01.05.1868Geburt – von Emmeline Mosse in Spremberg
Sommer 1869Zuzug – von Itzig Mosses Enkel Felix Koeben nach Spremberg, um die Realschule zu besuchen
31.03.1870Geburt – von Willy Mosse in Spremberg
28.09.1871Geburt – von Georg Mosse in Spremberg
Oktober 1872Geschäftserweiterung von Itzig Mosse mit Bank- und Wechselgeschäft in Spremberg
1873/1874Weggang – von Itzig und Fanny Mosse nach Berlin
28.10.1874Todestag – von Fanny Mosse in Berlin
Mitte/Ende 1874Weggang – von Salomon und Sophie Mosse mit drei Kindern nach Berlin
17.01.1875Todestag – von Itzig Mosse in Berlin
16.03.1875Eheschließung – von Hulda Oppenheim geb. Mosse mit Theodor Oppenheim in Berlin
29.12.1888Todestag – von Salomon Mosse in Berlin
16.04.1896Eheschließung – von Willy Mosse und Gertrud Pommer in Berlin
04.01.1890Eheschließung – von Emmeline Mosse und Waldemar Ball in Berlin, 10 Jahre später Scheidung
14.11.1901Todestag – von Hulda Oppenheim geb. Mosse in Berlin
06.10.1903Eheschließung – von Emmeline Mosse und Karl Friedrich Häring in Berlin
10.12.1921Eheschließung – von Georg Mosse und Elisabeth Promnitz in Berlin
24.01.1931Todestag – von Georg Mosse in Berlin
19.12.1939Todestag – von Willy Mosse in Berlin

Nachdem im März 1829 den “Friedländer Schutzjuden“ erlaubt wird, sich in anderen Städten in der Niederlausitz niederzulassen und Handel zu betreiben, zieht der jüdische Kaufmann Itzig Mosse (geboren als Isaac Moses, *1801 in Friedland) nach Spremberg. Er ist frisch verheiratet mit der 15-jährigen Fanny geb. Ball (*1815 in Czempien), wie es zu jener Zeit nach ihrer jüdischen Herkunft üblich ist. 1

Itzig und Fanny sind damit die ersten in Spremberg lebenden Juden, die bisher namentlich bekannt sind. Itzig betreibt sein Geschäft in der Lange Gasse (heute Lange Straße) mit einem breiten Angebot: Textilien, Bettfedern, Matjes-Heringe, exotische Nüsse und Citrusfrüchte, Pflanzensamen, eiserne Ringe für Fässer, Stiefeleisen, und mehr.2 Aus Zeitungsannoncen ist ersichtlich, dass sie ihr Geschäft an jüdischen Festtagen geschlossen halten.3

Bald darauf folgt Itzig sein Bruder Dr. Marcus Mosse nach Spremberg und wird hier als Wundarzt, Geburtshelfer, Kommunal- und Armenarzt tätig. 16 Monate später verlässt er die Stadt aber wieder aus unbekannten Gründen.4 Vielleicht sind es persönliche - kurz zuvor hat er seiner Nichte, Itzigs und Fannys Tochter Amanda, auf die Welt geholfen, die aber noch am selben Tag verstorben ist.5 Oder aber es liegt an der Akzeptanz in der Stadt.

1838 protestieren die Spremberger bei der Regierung in Frankfurt/Oder gegen das Wohnen von Itzig und Fanny Mosse in Spremberg.6 Was wohl acht Jahre nach deren Zuzug Anlass dazu gegeben hat? Der Protest wird mit folgender Begründung abgewiesen:

"Die Höhere Behörde [betrachtet] den Itzig Mosse nicht als Juden aus einer fremden Provinz, sondern als einen in der Niederlausitz eingebürgerten jüdischen Glaubensgenossen.“7

Die Eheleute Mosse haben mittlerweile schon drei Kinder in Spremberg bekommen und ein viertes wird noch folgen: Emmeline (*1832), Amanda (*1834), Salomon (*1836, kurz vor dessen Geburt Itzig offiziell der Königlichen Regierung bestätigung muss, dass er seinen Kindern keine christlichen Taufnamen geben wird) und Hulda (*1842).8

Zeitgleich mit der Geburt des letzten Kindes beantragt Itzig, das von ihm bewohnte Haus in der Leipziger Straße in Spremberg auch auf seinen Namen umschreiben zu lassen. Der Stadtrat lehnt das ab. Erst fünf Jahre später wird es ihm mit einem neuen Gesetz ermöglicht. So erhält Itzig Mosse 17 Jahre, nachdem er nach Spremberg zog, seinen Bürgerbrief überreicht. Sogleich wird er Mitglied des Armenunterstützungsvereins und bald darauf Stadtverordneter.9

In den 1860er Jahren bekommt Itzig größere gesundheitliche Beschwerden. Im Sommer 1864 fährt er mit seiner Frau Fanny und seinem selbst schwerkranken Bruder Marcus zur Kur ins Thermalbad Teplitz. Marcus stirbt im darauffolgenden Jahr.10

Während Itzigs und Fannys Töchter Emmeline und Hulda nach Forst und Berlin verzogen sind, bekommen sie über ihren Sohn Salomon in dieser Zeit drei Enkelkinder in Sprembegr: Emmeline (*1868, nach Salomons Schwester benannt, die kurz zuvor verstarb), Willy (*1870) und Georg (*1871). Salomon ist selbst als Kaufmann in Spremberg tätig und hat hier die Jüdin Sophie Schlesinger geheiratet.11

1872 erweitert Itzig sein Geschäft um ein Bank- und Wechselgeschäft und verlegt den Firmensitz auf sein Wohngrundstück in der Leipziger Straße. Im Zuge dessen wird Itzig zum Vetreter für die Preußische Hypotheken-Aktien-Bank und für die Mecklenburgische Hypotheken-Wechselbank in der Region Spremberg ernannt. Auch das Amt eines Königlichen Lotterie-Untereinnehmers und die Führung der Spremberger Agentur einer Feuer-Versicherungsgesellschaft werden ihm übertragen übertragen.12

Nicht lange drauf verlassen Itzig und Fanny Spremberg und ziehen etwa Ende 1873 nach Berlin. Wahrscheinlich, um im Alter und mit ihren gesundheitlichen Beschwerden, mehr Komfort und eine bessere Versorgung zu erhalten. Auch ihr Sohn Salomon folgt ihnen mit seiner Familie. Fanny Mosse stirbt 1874 im Alter von 59 Jahren und Itzig Mosse folgt ihr drei Monate später und fünf Tage nach seinem 74. Geburtstag. Sie werden nebeneinander auf dem jüdischen Friedhof in der Schönhauser Allee beigesetzt.13

Weiteres Schicksal der in Spremberg geborenen Familienmitglieder:

  • Emmeline Mosse heiratet den jüdischen Arzt Louis Koeben. Sie bekommen min. zwei Kinder, Felix (*1859) und Hedwig (*1860). Emmeline stirbt am 22. November 1867 im Alter von 35 Jahren in Forst.14
  • Emmeline Kirstein geb. Oppenheim
    Hulda Mosse heiratet Max Oppenheim und bevor Max jung verstirbt, bekommen die beiden vier Töchter: Rosa (1866-1926), Margarethe (*1867), Emmeline (*1869, 1939 Flucht nach Brasilien), und Gertrud (1872-1903). Hulda heiratet daraufhin Theodor Oppenheim, mit dem sie einen Sohn, Max (*1883-1942, in Auschwitz ermordet) bekommt. Sie stirbt im Alter von 59 Jahren in Berlin.15
  • Emmeline Mosse (Enkelin von Itzig) heiratet 1903 nach einer Scheidung vom Kaufmann Waldemar Ball, den Kaufmann Karl Friedrich Häring in Berlin, beide Männer evangelischer Konfession.16 Eine Tochter von ihrem ersten Ehemann stirbt im Alter von 8 Jahren, eine zweite Tochter heiratet später in Hamburg einen jüdischen Handelsgehilfen. Sie selbst wurde evangelisch getauft.17
  • Willy Mosse wird Kaufmann. Er heiratet 1896 in Berlin die Verkäuferin Gertrud Pommer, evangelischer Konfession.18 Am 19. Dezember 1939 stirbt er im Alter von 69 Jahren im jüdischen Krankenhaus in Berlin.19
  • Georg Mosse wird ebenfalls Kaufmann. Er heiratet zum ersten Mal 1894 in Berlin die Wirtschafterin Ida Margarethe Rudorff, evangelischer Konfession,20 und zum zweiten Mal 1921 im Alter von 50 Jahren die Verkäuferin Elisabeth Promnitz.21 Am 24. Januar 1931 stirbt er in Berlin in seiner Wohnung im Alter von 59 Jahren. Bei seinem Tod ermittelt die Kriminalpolizei aus unbekannten Gründen.22
  1. Vgl. Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004, Seite 36.
  2. Vgl. Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004, Seite 37.
  3. Vgl. Archiv des Niederlausitzer Heidemuseums, Spremberger Kreisblatt Ausgabe vom 04.10.1851 und 11.09.1852.
  4. Vgl. Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004, Seite 38.
  5. Vgl. Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004, Seite 40.
  6. Vgl. Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004, Seite 36.
  7. Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004, Seite 36.
  8. Vgl. Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004, Seite 40.
  9. Vgl. Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004, Seite 37.
  10. Vgl. Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004, Seite 37f.
  11. Vgl. Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004, Seite 41.
  12. Vgl. Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004, Seite 37.
  13. Vgl. Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004, Seite 38.
  14. Vgl. Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004, Seite 40.
  15. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Königreich Preußen und Freistaat Preußen, Deutschland, evangelische Kirchenbücher, 1661-1944, Heirat von Max Oppenheim und Hulda Mosse.
  16. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1936 für Waldemar Ball und Emmeline Mosse; vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1936 für Karl Friedrich Häring und Emmeline Ball.
  17. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Sterberegister, 1874-1955 für Elsbeth Ball; vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Hamburg, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1920 für Otto Singer und Alice Ball.
  18. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1936 für Willÿ Mosse und Auguste Martha Gertrud Pommer.
  19. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Sterberegister, 1874-1955 für Willÿ Mosse.
  20. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1936 für Georg Mosse und Ida Margarethe Rudorff.
  21. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1936 für Georg Mosse und Elisabeth Promnitz.
  22. Vgl. Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de, Berlin, Deutschland, Sterberegister, 1874-1955 für Georg Mosse.

Verbundene Personen

Schlesinger, Familieangeheiratete Verwandte

Verbundene Orte

Lange StraßeArbeitsort
Leipziger StraßeWohnort, Arbeitsort

Quellenangaben

Archiv des Niederlausitzer Heidemuseums:

  • Spremberger Kreisblatt Ausgabe vom 04.10.1851 und 11.09.1852.

Archiv der Ahnenforschungsdatenbank ancestry.de:

  • Berlin, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1936 für Willÿ Mosse und Auguste Martha Gertrud Pommer.
  • Berlin, Deutschland, Sterberegister, 1874-1955 für Willÿ Mosse.
  • Berlin, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1936 für Georg Mosse und Elisabeth Promnitz.
  • Berlin, Deutschland, Sterberegister, 1874-1955 für Georg Mosse.
  • Berlin, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1936 für Georg Mosse und Ida Margarethe Rudorff.
  • Berlin, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1936 für Waldemar Ball und Emmeline Mosse.
  • Berlin, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1936 für Karl Friedrich Häring und Emmeline Ball.
  • Berlin, Deutschland, Sterberegister, 1874-1955 für Elsbeth Ball.
  • Hamburg, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1920 für Otto Singer und Alice Ball.
  • Königreich Preußen und Freistaat Preußen, Deutschland, evangelische Kirchenbücher, 1661-1944, Heirat von Max Oppenheim und Hulda Mosse.

Sekundärliteratur:

  • Jürgen Stein, Jüdische Bürger Sprembergs im 19. Jahrhundert, in: Spremberger Kulturbund e.V./Stadtverwaltung Spremberg (Hrsg.): Heimatkalender 2005, Stadt Spremberg und Umgebung, Cottbus 2004.