Ernst Tschickert (1889-1951)

Ernst Friedrich Theodor Tschickert wird am 29. August 1889 in einer Arbeiterfamilie in Berlin-Kreuzberg geboren und wächst gemeinsam mit zwei Geschwistern auf. Er besucht die Volksschule und erlernt danach das Schlosserhandwerk.

1907 tritt Ernst in den Deutschen Metallarbeiter-Verband und in die SPD ein. Bis 1915 arbeitet er in seinem Beruf in Berlin, dann wird er zum Kriegsdienst eingezogen. Nach dem Ersten Weltkrieg kommt Ernst in die Niederlausitz und wird USPD-Parteisekretär in Cottbus. Die Gründung der Zeitung „Freier Volkswille“ und der Kampf gegen die Kapp-Putschisten, dessen Sympathisant Major Buchrucker Garnisonsältester von Cottbus war, sind seine ersten politischen Bewährungsproben.

Am 24. Dezember 1919 heiraten Ernst und Martha Tschickert in Cottbus. Sie hatten sich bei gemeinsamer Partei- und Gewerkschaftsarbeit in der Niederlausitzer Metropole kennengelernt. Martha ist Kriegerwitwe und bringt zwei Kinder mit in die Ehe. Familie Tschickert wohnt in der Hainstraße 14, später in der Wehrstraße 5.

1922 kehrt Ernst zur SPD zurück und wird Arbeitersekretär in Cottbus. Ehrenamtlich ist er als AOK-Vorstandsmitglied sowie Stadtverordneter tätig. Ab 1929 bekleidet er die freigewordene Stelle des Gewerkschaftssekretärs in Spremberg. Familie Tschickert zieht daher dort an den Bahnhofsvorplatz.

Seine erste große Rede in Spremberg hält Ernst am 1. Mai 1929 auf dem Markt. Die Folgen der Wirtschaftskrise und das Erstarken des Nationalsozialismus sind nun seine größten Herausforderungen als Freier Gewerkschafter und Sozialdemokrat. Mit der Machtübernahme Hitlers am 30. Januar 1933 verschärfen sich die Repressalien gegen Andersdenkende. Der NSDAP-Kreisleiter und spätere Spremberger Bürgermeister Kaulbars zeichnet sich besonders bei der Verfolgung seiner politischen Gegner aus. Ernst und weiteren Verbündeten gelingt es trotzdem, im erten Halbjahr von 1933 noch mehrere Protestversammlungen und Flugblattverteilungen in der Stadt durchzuführen. Eine von den Spremberger Nationalsozialisten angefragte gemeinsame Demonstration zum 1. Mai lehnt Ernst namens der Freien Gewerkschaften entschieden ab und organisiert stattdessen eine eigene, geheime Maifeier in den Slamener Kuthen.

Durch die Zerschlagung der Gewerkschaften am 2. Mai 1933 verliert Ernst seine Arbeit. Fünf Tage nach dem Verbot der SPD am 22. Juni 1933 wird er zusammen mit sechs anderen Spremberger Verbündeten in „Schutzhaft“ genommen und für neun Wochen im Konzentrationslager Sonnenburg bei Küstrin eingesperrt. Am 27. August kommt er frei, zwei Tage vor seinem 44. Geburtstag. Zwei Monate später vermutet Bürgermeister Kaulbars wegen eines Treffens vor dem Arbeitsamt erneut staatsfeindliche Umtriebe, so dass Ernst und fünf weitere Personen am 26. Oktober 1933 ins Amtsgefängnis Spremberg kommen. Das geht dem deutsch-nationalen Spremberger Landrat von Saher aber zu weit, so dass er ihre Entlassung anweist.

Im November/Dezember 1933 wird in den Landkreisen rund um Cottbus mit dem Aufbau einer illegalen Widerstandsgruppe Lausitz begonnen, um antifaschistische Flugblätter und illegale Schriften, die mit Kurieren von der Exil-Leitung der SPD aus Prag kommen, in der Niederlausitz zu verteilen und gesinnungstreue Anhänger zu werben. Einer der vier Leiter der intern „Pfadfinder“ genannten Gruppe ist von Anbeginn Ernst Tschickert, der außerdem die Verantwortung für die Organisation im Kreis Spremberg trägt.1

Am 29. Januar 1934 wird Ernst wieder verhaftet, diesmal lautet der Vorwurf: Vorbereitung zum Hochverrat. Nach 5 Wochen wird das Verfahren aus Mangel an Beweisen eingestellt. Zur Abstimmung mit Vorstandsmitgliedern der Exil-SPD fährt Ernst bis 1935 insgesamt drei Mal nach Reichenberg und Tetschen-Bodenbach (Böhmen), begleitet von zuverlässigen Verbündeten und seiner Frau Martha. Regelmäßige Besprechungen Lausitzer Sozialdemokraten finden am Schwansee bei Jamlitz am Rande des Spreewaldes statt. Bei Geburtstagen oder Schlachtefesten, wie zum Beispiel bei Otto Voigt in Proschim, trifft man sich ebenfalls.

Am 13. Oktober 1935 werden zwei Kuriere der „Pfadfinder“ beim Transport von illegalen Schriften in Großenhain (Sachsen) verhaftet. Danach fliegt die gesamte Widerstandsgruppe auf und es werden über 40 Personen inhaftiert. Am 16. Oktober 1935 werden Ernst und zwei Tage später Martha in ihrer Spremberger Wohnung Bahnhofsvorplatz 5 von der Gestapo abgeholt. Ernst kommt nach Berlin-Moabit und Martha in das Gerichtsgefängnis Cottbus. Mehr als ein Jahr lang werden die Anführer der Widerstandsgruppe Lausitz von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) verhört und es wird versucht, sie gegeneinander auszuspielen. Das gelingt nicht.

Am 10. Februar 1937 werden Ernst und einige Verbündete schließlich vom 2. Senat des Volksgerichtshofes in Berlin abgeurteilt. Der von der Gestapo als „treibende Kraft für die illegale Arbeit“ charakterisierte Ernst erhält wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ eine Strafe von fünf Jahren Zuchthaus, die er in Berlin-Plötzensee, Brandenburg-Görden und Amberg verbüßt. Danach kommt er im November 1940 als „Schutzhäftling“ mit der Nummer 36197 in das Konzentrationslager Sachsenhausen.

Am 3. Mai 1945 wird Ernst durch die Rote Armee befreit. Zurück in Spremberg, wird er ihm im neuen Magistrat der Stadt unter Bürgermeister Richard Buder ab 31. Mai 1945 die Aufgabe des Polizeichefs der Stadt übertragen. Sowohl bei der Wiedergründung der SPD am 22. Juni als auch beim Aufbau der neuen Gewerkschaft FDGB ab Sommer 1945 ist Ernst führend beteiligt. Als Kreisvorsitzender seiner Partei lädt er zur Vereinigungskonferenz von SPD und KPD am 24. März 1946 in das Bergschlößchen ein und gemeinsam mit Ehefrau Martha nimmt er auch am Vereinigungsparteitag der SED am 21. und 22. April in Berlin teil.

Familie Tschickert wohnt nach dem Krieg in der Heinrichsfelder Allee 10a und zieht 1947 in den Windmühlenweg 8 auf dem Georgenberg.

Das Angebot, Landrat von Spremberg zu werden, schlägt Ernst aus. Am 1. Juni 1946 wird er zum Vorsitzenden des Kreisarbeitsgerichtes berufen und hat von nun an seinen Dienstsitz im Spremberger Schloss. Bei den Kommunalwahlen am 15. September 1946 wird Ernst Spremberger Stadtverordneter und bei der darauffolgenden Kreistagswahl am 20. Oktober Mitglied des Kreistages. Dort wird er zum Fraktionsvorsitzenden der SED und später in den Rat des Kreises gewählt. Als Stellvertreter des Vorsitzenden des Landesarbeitsgerichtes Brandenburg und Mitglied des SED-Provinzialvorstandes ist Ernst im ganzen Land unterwegs.

Aber es gibt nach 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone auch politische Gegner bzw. Neider, denen Ernsts Erfolge und seine Reputation ein Dorn im Auge ist. Auf der Grundlage einer böswilligen Denunziation wird Ernst am frühen Morgen des 30. September 1949 im Auftrag des sowjetischen Geheimdienstes NKWD im Windmühlenweg 8 in Spremberg verhaftet und in das Untersuchungsgefängnis des Geheimdienstes in die Potsdamer Lindenstraße 54/55 gebracht. Der Vorwurf gegen ihn lautet: „Durchführung von Zersetzungstätigkeit (Untergrundtätigkeit) gegen die Sowjetische Militäradministration in Deutschland und gegen die SED“. Über Wochen versucht das NKWD in stundenlangen Verhören, von Ernst ein Geständnis zu erpressen. Es gelingt nicht.

Ernst wird am 28. Juni 1950 in Abwesenheit durch ein Sondertribunal des MGB (Ministerium für Staatssicherheit der UdSSR) in Moskau „wegen Spionage und Untergrundtätigkeit“ auf Basis des Strafgesetzbuches der RSFSR zu 15 Jahren Haft in einem „Arbeits- und Besserungslager“ verurteilt. Kurz nach der Verurteilung wird er vom NKWD-Gefängnis Potsdam in das Sonderlager Nr. 7 OserLag (Seelager) bei Tajschet in Sibirien überstellt. Das berüchtigte, zum Gulag-System gehörende Lager befindet sich unmittelbar an der Eisenbahnstrecke Baikal-Amur-Magistrale (BAM) und wird „mit verschärftem Regime“ betrieben.

Lange überlebt Ernst diese Tortur nicht. Am Weihnachtsabend 1951 um 22:30 Uhr kommt er zu Tode. Als offizielle Todesursache wird auf dem Totenschein ein Schädeltrauma angegeben. Sein Begräbnisort liegt mit großer Sicherheit auf dem früheren Lagergelände des OserLag im heutigen Izykan, einer Bahnstation an der BAM. Erst 1954, ein Jahr nach Stalins Ende, erfahren die Geschwister und Martha vom Tod Ernst Tschickerts. Sie erhalten von heimkehrenden Kriegsgefangenen, die durch den DRK-Suchdienst in Westberlin befragt werden, auch endgültig die Bestätigung ihres schlimmen Verdachtes wegen der Denunziation ihres Bruders bzw. Mannes.

Ernst Schichhold, ein Slamener Kommunist und bekennender Stalinist, hatte Ernst Tschickert bei der sowjetischen Besatzungsmacht verleumdet und ihn aus dem Weg räumen lassen. In einer Aussprache der Parteikontrollkommission der SED Spremberg am 9. Juni 1956 klagt Martha die Schuld Schichholds an, muss dem 1. Kreissekretär aber versprechen, nicht weiter in der Öffentlichkeit darüber zu reden.

Ernst Tschickert wird nach einem halben Jahrhundert mit Urkunde vom 11. Juni 2002 im vollen Umfang durch die Militärhauptstaatsanwaltschaft Russlands, vertreten durch den Obersten der Justiz, Leonid P. Kopalin, rehabilitiert. Seine Inhaftierung, seine Verurteilung und sein daraus folgendes Schicksal waren großes Unrecht. Er ist ein besonders tragisches politisches Opfer des 20. Jahrhunderts, da er von den Nationalsozialisten und den Stalinisten, die in Deutschland herrschten, verfolgt und letztlich umgebracht wurde.

  1. Vgl. Hans-Reiner Sandvoß: Mehr als eine Provinz! Widerstand aus der Arbeiterbewegung 1933-1945 in der preußischen Provinz Brandenburg, Berlin 2019, 194.
Ernst TschickertErnst Tschickert

Verbundene Personen

Tschickert, MarthaEhefrau, Verbündete
Frömter, OttoVerbündeter
Jänchen, BertaVerbündete
Kubo, RichardVerbündeter
Greischel, KurtVerbündeter

Verbundene Orte

BahnhofsvorplatzWohnort, zukünftiger STOLPERSTEIN
Ernst TschickertErnst Tschickert

Ernst Friedrich Theodor Tschickert wird am 29. August 1889 in einer Arbeiterfamilie in Berlin-Kreuzberg geboren und wächst gemeinsam mit zwei Geschwistern auf. Er besucht die Volksschule und erlernt danach das Schlosserhandwerk.

1907 tritt Ernst in den Deutschen Metallarbeiter-Verband und in die SPD ein. Bis 1915 arbeitet er in seinem Beruf in Berlin, dann wird er zum Kriegsdienst eingezogen. Nach dem Ersten Weltkrieg kommt Ernst in die Niederlausitz und wird USPD-Parteisekretär in Cottbus. Die Gründung der Zeitung „Freier Volkswille“ und der Kampf gegen die Kapp-Putschisten, dessen Sympathisant Major Buchrucker Garnisonsältester von Cottbus war, sind seine ersten politischen Bewährungsproben.

Am 24. Dezember 1919 heiraten Ernst und Martha Tschickert in Cottbus. Sie hatten sich bei gemeinsamer Partei- und Gewerkschaftsarbeit in der Niederlausitzer Metropole kennengelernt. Martha ist Kriegerwitwe und bringt zwei Kinder mit in die Ehe. Familie Tschickert wohnt in der Hainstraße 14, später in der Wehrstraße 5.

1922 kehrt Ernst zur SPD zurück und wird Arbeitersekretär in Cottbus. Ehrenamtlich ist er als AOK-Vorstandsmitglied sowie Stadtverordneter tätig. Ab 1929 bekleidet er die freigewordene Stelle des Gewerkschaftssekretärs in Spremberg. Familie Tschickert zieht daher dort an den Bahnhofsvorplatz.

Seine erste große Rede in Spremberg hält Ernst am 1. Mai 1929 auf dem Markt. Die Folgen der Wirtschaftskrise und das Erstarken des Nationalsozialismus sind nun seine größten Herausforderungen als Freier Gewerkschafter und Sozialdemokrat. Mit der Machtübernahme Hitlers am 30. Januar 1933 verschärfen sich die Repressalien gegen Andersdenkende. Der NSDAP-Kreisleiter und spätere Spremberger Bürgermeister Kaulbars zeichnet sich besonders bei der Verfolgung seiner politischen Gegner aus. Ernst und weiteren Verbündeten gelingt es trotzdem, im erten Halbjahr von 1933 noch mehrere Protestversammlungen und Flugblattverteilungen in der Stadt durchzuführen. Eine von den Spremberger Nationalsozialisten angefragte gemeinsame Demonstration zum 1. Mai lehnt Ernst namens der Freien Gewerkschaften entschieden ab und organisiert stattdessen eine eigene, geheime Maifeier in den Slamener Kuthen.

Durch die Zerschlagung der Gewerkschaften am 2. Mai 1933 verliert Ernst seine Arbeit. Fünf Tage nach dem Verbot der SPD am 22. Juni 1933 wird er zusammen mit sechs anderen Spremberger Verbündeten in „Schutzhaft“ genommen und für neun Wochen im Konzentrationslager Sonnenburg bei Küstrin eingesperrt. Am 27. August kommt er frei, zwei Tage vor seinem 44. Geburtstag. Zwei Monate später vermutet Bürgermeister Kaulbars wegen eines Treffens vor dem Arbeitsamt erneut staatsfeindliche Umtriebe, so dass Ernst und fünf weitere Personen am 26. Oktober 1933 ins Amtsgefängnis Spremberg kommen. Das geht dem deutsch-nationalen Spremberger Landrat von Saher aber zu weit, so dass er ihre Entlassung anweist.

Im November/Dezember 1933 wird in den Landkreisen rund um Cottbus mit dem Aufbau einer illegalen Widerstandsgruppe Lausitz begonnen, um antifaschistische Flugblätter und illegale Schriften, die mit Kurieren von der Exil-Leitung der SPD aus Prag kommen, in der Niederlausitz zu verteilen und gesinnungstreue Anhänger zu werben. Einer der vier Leiter der intern „Pfadfinder“ genannten Gruppe ist von Anbeginn Ernst Tschickert, der außerdem die Verantwortung für die Organisation im Kreis Spremberg trägt.1

Am 29. Januar 1934 wird Ernst wieder verhaftet, diesmal lautet der Vorwurf: Vorbereitung zum Hochverrat. Nach 5 Wochen wird das Verfahren aus Mangel an Beweisen eingestellt. Zur Abstimmung mit Vorstandsmitgliedern der Exil-SPD fährt Ernst bis 1935 insgesamt drei Mal nach Reichenberg und Tetschen-Bodenbach (Böhmen), begleitet von zuverlässigen Verbündeten und seiner Frau Martha. Regelmäßige Besprechungen Lausitzer Sozialdemokraten finden am Schwansee bei Jamlitz am Rande des Spreewaldes statt. Bei Geburtstagen oder Schlachtefesten, wie zum Beispiel bei Otto Voigt in Proschim, trifft man sich ebenfalls.

Am 13. Oktober 1935 werden zwei Kuriere der „Pfadfinder“ beim Transport von illegalen Schriften in Großenhain (Sachsen) verhaftet. Danach fliegt die gesamte Widerstandsgruppe auf und es werden über 40 Personen inhaftiert. Am 16. Oktober 1935 werden Ernst und zwei Tage später Martha in ihrer Spremberger Wohnung Bahnhofsvorplatz 5 von der Gestapo abgeholt. Ernst kommt nach Berlin-Moabit und Martha in das Gerichtsgefängnis Cottbus. Mehr als ein Jahr lang werden die Anführer der Widerstandsgruppe Lausitz von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) verhört und es wird versucht, sie gegeneinander auszuspielen. Das gelingt nicht.

Am 10. Februar 1937 werden Ernst und einige Verbündete schließlich vom 2. Senat des Volksgerichtshofes in Berlin abgeurteilt. Der von der Gestapo als „treibende Kraft für die illegale Arbeit“ charakterisierte Ernst erhält wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ eine Strafe von fünf Jahren Zuchthaus, die er in Berlin-Plötzensee, Brandenburg-Görden und Amberg verbüßt. Danach kommt er im November 1940 als „Schutzhäftling“ mit der Nummer 36197 in das Konzentrationslager Sachsenhausen.

Am 3. Mai 1945 wird Ernst durch die Rote Armee befreit. Zurück in Spremberg, wird er ihm im neuen Magistrat der Stadt unter Bürgermeister Richard Buder ab 31. Mai 1945 die Aufgabe des Polizeichefs der Stadt übertragen. Sowohl bei der Wiedergründung der SPD am 22. Juni als auch beim Aufbau der neuen Gewerkschaft FDGB ab Sommer 1945 ist Ernst führend beteiligt. Als Kreisvorsitzender seiner Partei lädt er zur Vereinigungskonferenz von SPD und KPD am 24. März 1946 in das Bergschlößchen ein und gemeinsam mit Ehefrau Martha nimmt er auch am Vereinigungsparteitag der SED am 21. und 22. April in Berlin teil.

Familie Tschickert wohnt nach dem Krieg in der Heinrichsfelder Allee 10a und zieht 1947 in den Windmühlenweg 8 auf dem Georgenberg.

Das Angebot, Landrat von Spremberg zu werden, schlägt Ernst aus. Am 1. Juni 1946 wird er zum Vorsitzenden des Kreisarbeitsgerichtes berufen und hat von nun an seinen Dienstsitz im Spremberger Schloss. Bei den Kommunalwahlen am 15. September 1946 wird Ernst Spremberger Stadtverordneter und bei der darauffolgenden Kreistagswahl am 20. Oktober Mitglied des Kreistages. Dort wird er zum Fraktionsvorsitzenden der SED und später in den Rat des Kreises gewählt. Als Stellvertreter des Vorsitzenden des Landesarbeitsgerichtes Brandenburg und Mitglied des SED-Provinzialvorstandes ist Ernst im ganzen Land unterwegs.

Aber es gibt nach 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone auch politische Gegner bzw. Neider, denen Ernsts Erfolge und seine Reputation ein Dorn im Auge ist. Auf der Grundlage einer böswilligen Denunziation wird Ernst am frühen Morgen des 30. September 1949 im Auftrag des sowjetischen Geheimdienstes NKWD im Windmühlenweg 8 in Spremberg verhaftet und in das Untersuchungsgefängnis des Geheimdienstes in die Potsdamer Lindenstraße 54/55 gebracht. Der Vorwurf gegen ihn lautet: „Durchführung von Zersetzungstätigkeit (Untergrundtätigkeit) gegen die Sowjetische Militäradministration in Deutschland und gegen die SED“. Über Wochen versucht das NKWD in stundenlangen Verhören, von Ernst ein Geständnis zu erpressen. Es gelingt nicht.

Ernst wird am 28. Juni 1950 in Abwesenheit durch ein Sondertribunal des MGB (Ministerium für Staatssicherheit der UdSSR) in Moskau „wegen Spionage und Untergrundtätigkeit“ auf Basis des Strafgesetzbuches der RSFSR zu 15 Jahren Haft in einem „Arbeits- und Besserungslager“ verurteilt. Kurz nach der Verurteilung wird er vom NKWD-Gefängnis Potsdam in das Sonderlager Nr. 7 OserLag (Seelager) bei Tajschet in Sibirien überstellt. Das berüchtigte, zum Gulag-System gehörende Lager befindet sich unmittelbar an der Eisenbahnstrecke Baikal-Amur-Magistrale (BAM) und wird „mit verschärftem Regime“ betrieben.

Lange überlebt Ernst diese Tortur nicht. Am Weihnachtsabend 1951 um 22:30 Uhr kommt er zu Tode. Als offizielle Todesursache wird auf dem Totenschein ein Schädeltrauma angegeben. Sein Begräbnisort liegt mit großer Sicherheit auf dem früheren Lagergelände des OserLag im heutigen Izykan, einer Bahnstation an der BAM. Erst 1954, ein Jahr nach Stalins Ende, erfahren die Geschwister und Martha vom Tod Ernst Tschickerts. Sie erhalten von heimkehrenden Kriegsgefangenen, die durch den DRK-Suchdienst in Westberlin befragt werden, auch endgültig die Bestätigung ihres schlimmen Verdachtes wegen der Denunziation ihres Bruders bzw. Mannes.

Ernst Schichhold, ein Slamener Kommunist und bekennender Stalinist, hatte Ernst Tschickert bei der sowjetischen Besatzungsmacht verleumdet und ihn aus dem Weg räumen lassen. In einer Aussprache der Parteikontrollkommission der SED Spremberg am 9. Juni 1956 klagt Martha die Schuld Schichholds an, muss dem 1. Kreissekretär aber versprechen, nicht weiter in der Öffentlichkeit darüber zu reden.

Ernst Tschickert wird nach einem halben Jahrhundert mit Urkunde vom 11. Juni 2002 im vollen Umfang durch die Militärhauptstaatsanwaltschaft Russlands, vertreten durch den Obersten der Justiz, Leonid P. Kopalin, rehabilitiert. Seine Inhaftierung, seine Verurteilung und sein daraus folgendes Schicksal waren großes Unrecht. Er ist ein besonders tragisches politisches Opfer des 20. Jahrhunderts, da er von den Nationalsozialisten und den Stalinisten, die in Deutschland herrschten, verfolgt und letztlich umgebracht wurde.

  1. Vgl. Hans-Reiner Sandvoß: Mehr als eine Provinz! Widerstand aus der Arbeiterbewegung 1933-1945 in der preußischen Provinz Brandenburg, Berlin 2019, 194.

Verbundene Personen

Tschickert, MarthaEhefrau, Verbündete
Frömter, OttoVerbündeter
Jänchen, BertaVerbündete
Kubo, RichardVerbündeter
Greischel, KurtVerbündeter

Verbundene Orte

BahnhofsvorplatzWohnort, zukünftiger STOLPERSTEIN

Quellenangaben

FSB-Zentralarchiv und RGWA-Archivs in Moskau:

  • Häftlingsunterlagen zu Ernst Tschickert.

Bundesarchiv Berlin

Brandenburgischen Landeshauptarchiv

Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes in München

Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft in Dresden

Heidemuseums des Landkreises Spree-Neiße Spremberg

Stadtarchiv Spremberg

Sekundärliteratur:

  • Siegfried Mielke und Stefan Heinz (Corinne Kaszner), Gewerkschafter in den Konzentrationslagern Oranienburg u. Sachsenhausen. Biografisches Handbuch, Band 4.
  • Hans-Reiner Sandvoß: Mehr als eine Provinz! Widerstand aus der Arbeiterbewegung 1933-1945 in der preußischen Provinz Brandenburg, Berlin 2019.
  • Heimatkalender Spremberg 2010 und 2024, Ernst Tschickert von Andreas Lemke.

Befragungen von Familienangehörigen und Zeitzeugen in Spremberg