Lieselore erblickt 21. März 1920 in Lugknitz/Muskau das Licht der Welt. Sie wächst mit einem jüngeren Bruder, Hans-Joachim, auf. Ihre Mutter Elfriede ist Jüdin. Ihr Vater Bruno findet 1924 im Kraftwerk Trattendorf Arbeit und die Familie zieht nach Spremberg in die Kraftwerkstraße 36. Hier werden die Kinder in die Volksschule eingeschult und machen Mitte der 1930er Jahre ihren Schulabschluss.
Mit Beginn des NS-Regimes 1933 ändert sich das Leben der Familie drastisch. Der Vater unternimmt mehrere Versuche, sich scheiden zu lassen. Er möchte nicht länger mit einer Jüdin verheiratet sein. In den Folgejahren werden Lieselore und ihr Bruder immer wieder in den Streit der Eltern verwickelt und müssen mehrfach vor Gericht aussagen, was sie zuhause miterleben.
Am 23. Februar 1936 lassen sich die Jugendlichen Lieselore und Hans beide in der Stadtkirche taufen. Es ist ein Versuch, der Diskriminierung aufgrund ihrer jüdischen Wurzeln entgegen zu wirken. Im selben Jahr bekommen ihre Eltern schließlich eine gerichtliche Erlaubnis zur Trennung, wenn auch nicht zur Scheidung. So zieht Elfriede mit den Kindern in eine Wohnung in der Wilhelmstraße 9, der heutigen Geschwister-Scholl-Straße, wo sie unter schlechten Bedingungen wohnen.
Als die Mutter 1938 krank wird und mehrere Wochen ins Cottbuser Krankenhaus muss, wird Hans wieder beim Vater untergebracht, der nun in der Kraftwerkstraße 8 wohnt. Lieselore bleibt allein in der Wohnung. Sie hat einen Freund, Albert Matk, der zu dieser Zeit viel bei ihr ist. Die beiden haben sogar schon eine Reise an die Ostsee miteinander gemacht über die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“, die populärste Organisation im NS-Regime. Später sagen drei Nachbarinnen vor Gericht über Lieselores Verhältnis mit Albert aus. Schließlich soll die 17-jährige Lieselore sogar schwanger geworden sein und das Kind bei einem Treppensturz verloren haben. Ihr Vater erstattet daraufhin Anzeige gegen Lieselores Freund. Die Bereitschaft, die Familie anzuklagen ist scheinbar groß. Alle wollen sie die schlechte Fürsorge der jüdischen Mutter darstellen. Ob irgendwelche jener Aussagen stimmen, kann nicht mehr geklärt werden.
Tatsächlich ist es so, dass der Vater versucht, Besuche und Einladungen von Elfriede an ihre Kinder zu unterbinden, aber erfolglos. Vor Gericht sagt er aus, dass manchmal Lieselore bei ihm erscheine und zu Hans sage: “Du sollst zur Mutti kommen, es gibt Pudding.“ Gleichzeitig beschwert er sich, dass die Mutter sich nicht kümmern würde und die Kinder bei ihm „abgeladen“ habe. Elfriedes Rechtsanwalt zeigt die inkonsequente Klage des Vaters auf: Einerseits wolle der Vater in seinem Judenhass, dass die Kinder dem Kontakt der Mutter entzogen werden. Andererseits fordere er ihren Einsatz für die Kinder.
Nach der Schule fängt Lieselore als Büroangestellte bei der Firma Römmler AG in Spremberg an. Mit Kriegsbeginn legt ihre Arbeitgeberin ihr einen Beschluss vor: Lieselore soll die Hausgemeinschaft mit ihrer jüdischen Mutter verlassen, sonst werde sie ihre Stelle verlieren. Da bei ihrem Vater kein Platz in der Wohnung ist, muss sie sich ein Zimmer nehmen. Sie zieht eine Straßenecke weiter in die heutige Karl-Marx-Straße. Ihr Bruder Hans wird zur Zwangsarbeit verpflichtet und kommt dadurch in Kontakt mit Widerstandskämpfern, die für die verbotene Kommunistische Partei Deutschlands tätig sind.
In dieser Zeit nimmt sich die Mutter der Geschwister in Spremberg das Leben. Sie ist zum wiederholten Male aus fadenscheinigen Gründen verhaftet wurden und nach wie vor in den bitteren Ehestreit verwickelt. In seinem Lebenslauf schreibt Hans später: „Bei der 3. Verhaftung nahm sie sich in der Zelle aufgrund der Qualen das Leben.“
Im Januar 1941 wird Hans verraten und in verschieden Arbeits- und Konzentrationslagern über die Kiregsjahre inhaftiert. Lieselore wird im Zuge von Hans Verhaftung zur Zwangsarbeit in die Papierfabrik in Spremberg geschickt. Am 10. August 1944 gelingt es ihr tatsächlich mit einem Antrag ihren Bruder aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen freizubekommen. Doch einen Monat später wird er wieder verhaftet und kommt in ein Zwangsarbeitslager bei Suhl. 10 Tage vor der Befreiung durch die Amerikaner gelingt ihm die Flucht. Er schlägt sich nach Spremberg durch, wo die 24-jährige Lieselore und der 23-jährige Hans nun das Kriegsende miterleben.
Nach dem Krieg wandert Lieselore in die Niederlande nach Eindhoven aus und heiratet den Niederländer René Schmetz. Lieselore stirbt dort am 19. Mai 1987 im Alter von 67 Jahren. Kinder bekommt sie keine.
Ihr Bruder gründet erst in Suhl eine Familie, flieht später nach Westdeutschland und stirbt schon 1946 in Berlin.
Am 17. September 2024 wurden für die Geschwister Lieselore und Hans Rulla in Spremberg STOLPERSTEINE neben dem Stein ihrer Mutter verlegt.
21.03.1920 | Geburt – in Lugknitz |
1924 | Zuzug – nach Spremberg |
1926 | Einschulung in Spremberger Volksschule |
Ostern 1934 | Volksschulabschluss in Spremberg |
1934-1941 | Büroangestellte bei Firma Römmler AG in Spremberg |
23.02.1936 | Taufe in der Stadtkirche, um Diskriminierung zu mindern |
1941 | Zwangsarbeit in Papierfabrik in Spremberg |
vermutlich 1945 | Weggang – aus Spremberg |
19.05.1987 | Todestag – in Eindhoven, Niederlande |
17.09.2024 | Stolpersteinverlegung – in der Geschwister-Scholl-Straße Ecke Karl-Marx-Straße |
Rulla, Elfriede | Mutter |
Rulla, Hans-Joachim | Bruder |
Kreuzkirche Spremberg | Taufort |
Geschwister-Scholl-Straße 9 und 10 | Wohnort, STOLPERSTEIN |
Karl-Marx-Straße | Wohnort |
21.03.1920 | Geburt – in Lugknitz |
1924 | Zuzug – nach Spremberg |
1926 | Einschulung in Spremberger Volksschule |
Ostern 1934 | Volksschulabschluss in Spremberg |
1934-1941 | Büroangestellte bei Firma Römmler AG in Spremberg |
23.02.1936 | Taufe in der Stadtkirche, um Diskriminierung zu mindern |
1941 | Zwangsarbeit in Papierfabrik in Spremberg |
vermutlich 1945 | Weggang – aus Spremberg |
19.05.1987 | Todestag – in Eindhoven, Niederlande |
17.09.2024 | Stolpersteinverlegung – in der Geschwister-Scholl-Straße Ecke Karl-Marx-Straße |
Lieselore erblickt 21. März 1920 in Lugknitz/Muskau das Licht der Welt. Sie wächst mit einem jüngeren Bruder, Hans-Joachim, auf. Ihre Mutter Elfriede ist Jüdin. Ihr Vater Bruno findet 1924 im Kraftwerk Trattendorf Arbeit und die Familie zieht nach Spremberg in die Kraftwerkstraße 36. Hier werden die Kinder in die Volksschule eingeschult und machen Mitte der 1930er Jahre ihren Schulabschluss.
Mit Beginn des NS-Regimes 1933 ändert sich das Leben der Familie drastisch. Der Vater unternimmt mehrere Versuche, sich scheiden zu lassen. Er möchte nicht länger mit einer Jüdin verheiratet sein. In den Folgejahren werden Lieselore und ihr Bruder immer wieder in den Streit der Eltern verwickelt und müssen mehrfach vor Gericht aussagen, was sie zuhause miterleben.
Am 23. Februar 1936 lassen sich die Jugendlichen Lieselore und Hans beide in der Stadtkirche taufen. Es ist ein Versuch, der Diskriminierung aufgrund ihrer jüdischen Wurzeln entgegen zu wirken. Im selben Jahr bekommen ihre Eltern schließlich eine gerichtliche Erlaubnis zur Trennung, wenn auch nicht zur Scheidung. So zieht Elfriede mit den Kindern in eine Wohnung in der Wilhelmstraße 9, der heutigen Geschwister-Scholl-Straße, wo sie unter schlechten Bedingungen wohnen.
Als die Mutter 1938 krank wird und mehrere Wochen ins Cottbuser Krankenhaus muss, wird Hans wieder beim Vater untergebracht, der nun in der Kraftwerkstraße 8 wohnt. Lieselore bleibt allein in der Wohnung. Sie hat einen Freund, Albert Matk, der zu dieser Zeit viel bei ihr ist. Die beiden haben sogar schon eine Reise an die Ostsee miteinander gemacht über die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“, die populärste Organisation im NS-Regime. Später sagen drei Nachbarinnen vor Gericht über Lieselores Verhältnis mit Albert aus. Schließlich soll die 17-jährige Lieselore sogar schwanger geworden sein und das Kind bei einem Treppensturz verloren haben. Ihr Vater erstattet daraufhin Anzeige gegen Lieselores Freund. Die Bereitschaft, die Familie anzuklagen ist scheinbar groß. Alle wollen sie die schlechte Fürsorge der jüdischen Mutter darstellen. Ob irgendwelche jener Aussagen stimmen, kann nicht mehr geklärt werden.
Tatsächlich ist es so, dass der Vater versucht, Besuche und Einladungen von Elfriede an ihre Kinder zu unterbinden, aber erfolglos. Vor Gericht sagt er aus, dass manchmal Lieselore bei ihm erscheine und zu Hans sage: “Du sollst zur Mutti kommen, es gibt Pudding.“ Gleichzeitig beschwert er sich, dass die Mutter sich nicht kümmern würde und die Kinder bei ihm „abgeladen“ habe. Elfriedes Rechtsanwalt zeigt die inkonsequente Klage des Vaters auf: Einerseits wolle der Vater in seinem Judenhass, dass die Kinder dem Kontakt der Mutter entzogen werden. Andererseits fordere er ihren Einsatz für die Kinder.
Nach der Schule fängt Lieselore als Büroangestellte bei der Firma Römmler AG in Spremberg an. Mit Kriegsbeginn legt ihre Arbeitgeberin ihr einen Beschluss vor: Lieselore soll die Hausgemeinschaft mit ihrer jüdischen Mutter verlassen, sonst werde sie ihre Stelle verlieren. Da bei ihrem Vater kein Platz in der Wohnung ist, muss sie sich ein Zimmer nehmen. Sie zieht eine Straßenecke weiter in die heutige Karl-Marx-Straße. Ihr Bruder Hans wird zur Zwangsarbeit verpflichtet und kommt dadurch in Kontakt mit Widerstandskämpfern, die für die verbotene Kommunistische Partei Deutschlands tätig sind.
In dieser Zeit nimmt sich die Mutter der Geschwister in Spremberg das Leben. Sie ist zum wiederholten Male aus fadenscheinigen Gründen verhaftet wurden und nach wie vor in den bitteren Ehestreit verwickelt. In seinem Lebenslauf schreibt Hans später: „Bei der 3. Verhaftung nahm sie sich in der Zelle aufgrund der Qualen das Leben.“
Im Januar 1941 wird Hans verraten und in verschieden Arbeits- und Konzentrationslagern über die Kiregsjahre inhaftiert. Lieselore wird im Zuge von Hans Verhaftung zur Zwangsarbeit in die Papierfabrik in Spremberg geschickt. Am 10. August 1944 gelingt es ihr tatsächlich mit einem Antrag ihren Bruder aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen freizubekommen. Doch einen Monat später wird er wieder verhaftet und kommt in ein Zwangsarbeitslager bei Suhl. 10 Tage vor der Befreiung durch die Amerikaner gelingt ihm die Flucht. Er schlägt sich nach Spremberg durch, wo die 24-jährige Lieselore und der 23-jährige Hans nun das Kriegsende miterleben.
Nach dem Krieg wandert Lieselore in die Niederlande nach Eindhoven aus und heiratet den Niederländer René Schmetz. Lieselore stirbt dort am 19. Mai 1987 im Alter von 67 Jahren. Kinder bekommt sie keine.
Ihr Bruder gründet erst in Suhl eine Familie, flieht später nach Westdeutschland und stirbt schon 1946 in Berlin.
Am 17. September 2024 wurden für die Geschwister Lieselore und Hans Rulla in Spremberg STOLPERSTEINE neben dem Stein ihrer Mutter verlegt.
Rulla, Elfriede | Mutter |
Rulla, Hans-Joachim | Bruder |
Kreuzkirche Spremberg | Taufort |
Geschwister-Scholl-Straße 9 und 10 | Wohnort, STOLPERSTEIN |
Karl-Marx-Straße | Wohnort |
Zeitzeugenaussage:
Brandenburgisches Landeshauptarchiv:
Stadtarchiv Spremberg:
Archiv der Kreuzkirche Spremberg:
Standesamt Bad Muskau:
Standesamt Suhl:
Internetseiten: